Daniela Dingfelder, operative Geschäftsführerin bei Deguma, im Interview

Annina Schopen,

Nachhaltige Kreislaufwirtschaft sollte bei der Produktion beginnen

Daniela Dingfelder berichtet im Interview mit KM-Redakteurin Annina Schopen, wie Deguma die Corona-Zeit als Chance genutzt hat und in der Pandemie gewachsen ist und wie der Nachhaltigkeitsgedanke in einem Unternehmen, das sich unter anderem auf die Modernisierung gebrauchter Maschinen spezialisiert hat, umgesetzt wird.

Daniela Dingfelder, operative Geschäftsführerin bei Deguma. © Deguma

Frau Dingfelder, Sie sind seit rund zwei Jahren operative Geschäftsführerin bei Deguma. Was hat sich seitdem im Unternehmen getan?
Seit 2019 haben wir bei Deguma die Produktion von der Einzelfertigung hin zur Kleinserien-Produktion umgestellt und ein Team für Forschung und Entwicklung eingeführt. Darin arbeiten wir stetig an der Verbesserung unserer Produkte und entwickeln gemeinsam mit Kunden neue Maschinen für ihre Produktion. Gemeinsam mit Viktoria Schütz arbeiten wir an unserer neuen Organisationskultur: weg von Top-down und Kontrolle hin zu agilen und lösungsorientierten Prozessen. Die Kultur soll geprägt sein von Mitbestimmung und Eigenverantwortung der Team-Mitglieder. Zudem unterstützen neue Arbeitskreise das eigenverantwortliche Arbeiten der Team-Mitglieder. Auch die Digitalisierung der Prozesse im HR-Bereich sowie die Erweiterung des Produktportfolios insbesondere im Bereich Service und Wartung haben wir in den vergangen zwei Jahren vorangetrieben. Für die nächsten Monate ist die Digitalisierung der Prozesse in der Buchhaltung und der Produktion geplant.

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Wie kommt Deguma bisher durch die Corona-Pandemie?
Bisher sind wir gut durch die Pandemie gekommen. Denn bereits bei den ersten Anzeichen einer Krise, Anfang 2020, haben wir uns in der Geschäftsführung mit möglichen Maßnahmen beschäftigt. Wir haben versucht, die Mitarbeiter früh ins Homeoffice zu schicken und in der Produktion vorübergehende Schichtarbeit eingeführt. So konnten wir weiter in kleinen Gruppen produzieren und unsere Aufträge erfüllen. Natürlich ist die Produktion von Investitionsgütern wie unseren Neumaschinen unmittelbar von den Auswirkungen der Krise betroffen. Deshalb haben wir uns neu aufgestellt. Virtuelle Maschinenbesichtigungen, Überarbeitungen von Gebrauchtmaschinen und Sicherheitsnachrüstungen waren 2020/21 unsere umsatzstärksten Bereiche. Seit Mitte/Ende 2021 werden nun auch wieder Neumaschinen und größere Projekte angefragt und bestellt. So sind wir ohne Kurzarbeit, Kündigungen oder Ähnlichem durch die Krise gegangen. Ganz im Gegenteil: Wir haben sogar Personal eingestellt und unsere Unternehmenstransformation vorangetrieben.

Deguma ist spezialisiert auf den Bau neuer Walzwerke und die Modernisierung gebrauchter Maschinen. Was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft?
Ressourcenschonend und gleichzeitig wirtschaftlich – das ist unser Anspruch an unsere Maschinen. Denn eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft sollte bereits bei der Produktion beginnen. Deshalb beziehen wir bei Neumaschinen unsere Bauteile zu 90 % aus Deutschland. Mit Deguma efficiency haben wir ein Antriebssystem entwickelt, mit dem auch ältere Maschinen mit moderner Technik ausgestattet werden können. Damit erhöhen wir ihre Lebenszeit und reduzieren ihren Energieverbrauch erheblich. Das ist nicht nur nachhaltig, sondern erhöht mittelfristig auch die Wirtschaftlichkeit der Produktion. Einsparungen von bis zu 100.000 kWh pro Jahr und Produktionsanlage sind mit unserem Konzept möglic

Im Projekt AdaptAR mit dem Fraunhofer-Institut arbeitet Deguma an der Entwicklung eines digitalen Handbuchs. Worum geht es dabei?
Gebrauchs- oder Montageanleitungen werden oft verspottet – weil sie in einigen Fällen nicht wirklich anwenderfreundlich, schlecht übersetzt oder einfach unverständlich sind. Hier setzt das Forschungsprojekt AdaptAR an, in dem es um die automatische Generierung von Anleitungen geht, die kontext-, anwender- und lebenszyklusspezifisch sind. So soll ein Smart Service für Nutzer auf Basis eines digitalen Zwillings entwickelt und in verschiedenen Anwendungsfällen erprobt werden. Der Mehrwert steckt in der interaktiven, u. a. Augmented-Reality basierten Darstellung der generierten Anleitungen. Mit den Ergebnissen soll sich der Aufwand zur Erstellung technischer Handlungsanweisungen um rund 70 Prozent verringern. Wir als Anwender nutzen die Software in verschiedenen Use Cases über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg: von der Montage eigener Produkte über die Inbetriebnahme und den Betrieb bei uns im Haus oder bei Kunden bis hin zur Instandhaltung und schließlich sogar die Wiederaufbereitung.

Deguma ist spezialisiert auf den Bau neuer Walzwerke und die Modernisierung gebrauchter Maschinen. © Deguma

Sie haben auch die eigenen Prozesse im Unternehmen digitalisiert und greifen dabei nicht auf ein klassisches ERP-System zurück, sondern auf eine App. Was steckt dahinter?
In den letzten Jahren hat sich bei Deguma die Produktion von der Einzelfertigung zur Kleinserie und von individuellen zu standardisierten Prozessen gewandelt. Daher schien ein ERP-System unumgänglich. Leider konnte keiner der ERP-Anbieter unsere Anforderungen nach Agilität und Anwenderfreundlichkeit erfüllen. Mit 5thIndustry und der cloudbasierten App haben wir jetzt eine Lösung gefunden, bei der wir individuell und modular unsere Prozesse entsprechend digitalisieren können. Begonnen haben wir mit der Produktionsplanung, bei der wir mit allen Beteiligten prüfen, ob die angelegten Prozesse zu uns passen oder nicht. Änderungen sind kein Problem und werden schnell und ohne hohen finanziellen Aufwand umgesetzt. Gerade für uns als eher kleines mittelständisches Unternehmen ist eine hohe Flexibilität und niedrige Kosten sehr wichtig. Für die nächsten Schritte ist geplant, die Lagerverwaltung und die Einkaufsprozesse zu digitalisieren.

Deguma beteiligt sich am Forschungsprojekt Innofarm, koordiniert von der TU Ilmenau, bei dem neue Arbeitsformen getestet werden. Worum geht es da genau?
Ziel des Projekts Innofarm ist es, KMU-spezifische Voraussetzungen für eine positive Innovationskultur zu erforschen und daraus allgemeingültige Methoden abzuleiten. Dazu begleitet die Technische Universität Ilmenau drei Unternehmen aus der Region Südthüringen. Innerhalb der nächsten drei Jahre testen die MitarbeiterInnen der Projektpartner neue Formen der Arbeit als Pilotprojekte im eigenen Unternehmen. Die TU Ilmenau begleitet diese neuen Arbeitsprozesse und die notwendigen Umstrukturierungen in den Unternehmen und wertet die Ergebnisse wissenschaftlich aus.

Das Besondere bei Innofarm ist der interaktive Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft. Die Pilotprojekte werden gemeinsam mit den Partnerunternehmen reflektiert und weiterentwickelt. Mithilfe der wissenschaftlichen Auswertung können im Anschluss an das Projekt Innofarm die erfolgreichsten Arbeitsformen anderen kleinen und mittelständischen Unternehmen aus der Region zur Verfügung gestellt werden. Innofarm wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. (Weitere Informationen zu Innofarm: http://www.innofarm-thueringen.org)

Sie haben eine Vision für 2030 formuliert. Wie sieht die aus?
Im Grunde beschreibt die Vision 2030 unsere genaue Vorstellung, wo Deguma am 30.06.2030 stehen wird. Sie umschreibt die Anzahl der Mitarbeiter, unser Produktportfolio, aber auch in welchen Ländern wir aktiv sind und wie Deguma am Markt agiert. Unsere Vision beschreibt, wie wir bei Deguma zusammenarbeiten wollen und was für unsere Mitarbeiter wichtig ist. Die knapp 4,5 Seiten dienen uns und dem Team als Leitfaden für die kommenden Jahre. Wir sind uns unserer Ziele bewusst und passen den Weg dorthin stets an gegebene Situationen an. Eine Kurzfassung der Vision wird in den kommenden Monaten auf unserer Homepage veröffentlicht.

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