Werkzeuge und Anlagen für die Extrusion

Individuelle Planung für individuelle Produkte

Mit 14 Unternehmen in sieben Ländern produziert Greiner Tool.Tec Werkzeuge, Maschinen und Gesamtanlagen für die Fensterprofil-Extrusion. Der Anteil kundenspezifischer Produkte von etwa 85 Prozent bietet einige Herausforderungen für die Planung und Steuerung.

Die Umsetzung der Mehrwerkeplanung mit Umlagerungsstruktur und auf Tschechien und Österreich (Bild) verteilten Bearbeitungsschritten findet heute mit intensiver IT-Unterstützung statt.

Die Entwicklung der IT-gestützten, werksübergreifenden Produktionsplanung, des Supply Chain Managements, bei Greiner Tool.Tec ist ein Beispiel dafür, wie neue softwaretechnische Möglichkeiten und die Optimierung der Prozesse wechselseitig für einen effizienteren Einsatz der Ressourcen eines Unternehmens bewirken können. Seit zehn Jahren Teil dieser Prozesse ist IT-Leiter Horst Pühringer.

Bereits vor mehr als zehn Jahren fiel die Entscheidung für den Einsatz einer Supply-Chain-Management-Software. Damals war als ERP-System Baan im Einsatz. Die gesamte anonyme Fertigung ohne konkreten Kundenauftrag ließ sich hier gut abbilden und planen. Bei der auftragsspezifischen Fertigung mit etwa zehn Stücklistenebenen und mehreren Tausend Teilen ging allerdings die Übersicht verloren. Die unangenehme Folge: Die Bestände stiegen und die Durchlaufzeiten waren insgesamt zu lang. Eine Ursache dafür war, dass man im ERP-System zur Vereinfachung eine getaktete Fertigung mit identischen Durchlaufzeiten abbildete. Die Dauer und Komplexität der Bearbeitungsschritte ist aber je nach Auftrag sehr unterschiedlich. Die mangelnde Differenzierung führte dazu, dass auch für die Lieferung vergleichsweise einfacher Werkzeuge lange Zeiten in Kauf genommen wurden - sehr zum Unmut der Kunden.

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Anfang 2002 begann Greiner zentral mithilfe der Software Way SCS von Wassermann zu planen, die über eine Schnittstelle Zugriff auf die Daten in Baan hatte. Das SCS im Softwarenamen stand für "Supply Chain Simulation". Das Ergebnis war, dass der Warenfluss nun nicht mehr zwangsweise automatisiert, starr über festgelegte Algorithmen und im Detail oft intransparent vom ERP gesteuert wurde, sondern die Planer in einem neu eingerichteten zentralen Planungszentrum von einer Software unterstützt entscheiden konnten. "85 Prozent der Produkte sind kundenspezifisch und können nicht nach einem Standardschema produziert werden. Die gute Visualisierung machte jedes Detail der Wertschöpfungskette transparent und die einzelnen Aufträge damit individuell steuerbar", erklärt Horst Pühringer.

Die Flaute zur Stärkung nutzen

2008 traf die Wirtschaftskrise den Maschinenbauer hart mit Einbrüchen in der Auftragslage von 30 bis 40 Prozent. Die Unternehmensleitung entschloss sich, diese Zeit mangelnder Auslastung auf Produktionsseite für Verbesserungen der IT-Infrastruktur zu nutzen. Im Mutterkonzern war SAP eingeführt worden, eine entsprechende ERP-Umstellung von Tochterunternehmen wurde daher begrüßt. So fiel mitten in der Krise die Investitionsentscheidung für die SAP-Einführung.

Die Veränderungen in der Organisation bezogen sich vor allem auf den Werkzeugbau. Die Produktion von Werkzeugen ist auf ein österreichisches und ein tschechisches Werk verteilt. Es werden eisenfertige Halbzeuge der Extrusionswerkzeuge gefertigt, die dann in einem standortübergreifenden Prozess kundenspezifisch weiterbearbeitet werden. Die eisenfertigen Werkzeuge erfahren in mehreren Bearbeitungs- und Testiterationen ihre individuelle Anpassung.

Die Software-Unterstützung für diesen Prozess war allerdings verbesserungswürdig, denn Werkzeugprüfungen und die Entscheidung zur erneuten Bearbeitung folgen sehr kurzen Zyklen, die für die Umsetzung erforderlichen Produktions- oder Transportaufträge benötigten in der Batch-Bearbeitung aber etwa 24 Stunden. Es stellte sich die Frage, ob sich das mit der SAP-Einführung verbessern würde. Die Planer bei Greiner schätzten die visuell-interaktive, transparente Planung in der Wassermann-Software - weil durch die gestiegene Qualität der Planung Bestände und Durchlaufzeiten reduziert wurden. Sie waren sicher: Das gewohnte Maß an Flexibilität und Effizienz in der Planung würde man auch mit einem modernen ERP-System allein nicht erreichen und auf die transparente Feinplanung in der Wassermann-Software wollten sie nicht verzichten. So fiel bei Greiner eine weitere Entscheidung: Parallel zur SAP-Einführung wurde die Migration zum Way SCS-Nachfolger Way RTS angegangen.

Doppelte Einführung stemmen

Way RTS ist eine Echtzeitsimulationssoftware, die ohne eigene Datenbank alle Berechnungen im Hauptspeicher durchführt. Die Funktionsweise ist eine umfassende technische Weiterentwicklung der Vorgängersoftware. Allerdings wurden grundlegende Prinzipien übernommen, so dass die Benutzer die Migration eher als Upgrade wahrgenommen haben. "Die zeitgleiche Implementierung war natürlich eine große Belastung für die Teams. Dennoch: Ich würde es wieder so machen", sagt Horst Pühringer. Er begründet: "Beide Systeme beeinflussen sich. Nur bei einer parallelen Einführung kann ich die Abstimmung dort vornehmen, wo es am einfachsten oder sinnvollsten ist. Bei einer sequenziellen Einführung präjudiziert das erste System und das zweite muss sich faktisch anpassen - was oft weder sinnvoll noch kostengünstig ist."

Der IT-Leiter profitierte bei dieser doppelten Einführung davon, dass er seit einem Jahrzehnt mit dem gleichen Team arbeitet. Die Key-User verfügten dank vieler gemeinsamer Projekte im ERP-Umfeld und der Planung über ausgeprägtes Prozesswissen. Da sie in ihren jeweiligen Fachabteilungen dafür anerkannt werden, sind sie die idealen Multiplikatoren bei Änderungen. Integrationsfragen zwischen SAP und Way RTS konnten direkt mit den SAP-Beratern und Wassermann besprochen werden.

Mehrwerkeplanung in Echtzeit

Mit dem parallelen Betrieb der beiden Systeme hat Greiner heute seine zentrale Planung aufgestellt. Von den ursprünglich 25 bis 30 mit der zentralen Planung befassten Mitarbeitern plant nach Unternehmensangaben heute nur noch "eine Handvoll" - der Rest kümmert sich dezentral um die Feinsteuerung. Die Arbeit an unterschiedlichen Standorten sei dabei kein Problem, das Wassermann-System führt alles zu einem konsistenten Planungsbild zusammen. Jeder Planer ist im übertragenen Sinne sofort überall im Bilde.

SAP ist das datenführende System. Allerdings werden Prozesse wie das Generieren von Fertigungsaufträgen in Way RTS angestoßen. Bei Fertigungsaufträgen für kundenspezifische Projekte mit hohem Konstruktionsaufwand gibt es ein Wechselspiel: Initial wird der Auftrag in SAP angelegt, wo zu diesem Zweck - quasi als Dummy - eine Art Musterbaugruppe mit Maximalstückliste hinterlegt wird. Das Projekt wird mit Rückmeldungen aus der Konstruktion konkretisiert. Nicht benötigte Prozessschritte oder Baugruppen werden aus der Grobplanung gestrichen. Sind alle Einzelheiten des Projekts bezüglich Konstruktion und Arbeitsvorbereitung festgelegt, erfolgt die Feinplanung in der Wassermann Software. Die Umsetzung der Mehrwerkeplanung mit Umlagerungsstruktur und auf Tschechien und Österreich verteilten Bearbeitungsschritten war mit der alten IT-Struktur noch eine Herausforderung. Heute braucht das eingespielte Team um Horst Pühringer die Berater nicht mehr, um neue Werke in die übergreifende Planung zu integrieren - wie zum Beispiel 2012 das neue deutsche Werk in Lichtenau. Die komplexen Zusammenhänge einer über mehrere Werke und Fertigungsstufen reichenden Supply Chain können detailliert visualisiert, die Folgen von Planungsentscheidungen in Echtzeit simuliert werden - und der aktuell freigegebene Planungsstand ist allen Beteiligten jederzeit ersichtlich.

Fünfter Akt. Nehmt auch uns auf

Eine echte Prüfung für Aufbau und Tools der Supply-Chain-Planung war kurz nach der Einführung ein sehr großer Kundenauftrag aus China. Dabei sollte eine komplette Anlage für Fensterprofile auf der "grünen Wiese" aufgebaut werden. Der Großauftrag erzeugte bei Greiner mindestens 30 Prozent Überlast. "Dennoch wurde das Projekt zeitgerecht und sogar unter den kalkulierten Kosten abgewickelt", berichtet Horst Pühringer. "Eine Säule und ein Erfolgsgarant in diesem Projekt war die hohe Transparenz."

Der Verzicht auf eine komplett automatisierte ERP-Planung zugunsten einer IT-unterstützten Planungsabteilung ist dort empfehlenswert, wo ein hoher Anteil kundenindividueller Produkte Prozessunterschiede und hohe Flexibilität verlangt. Wichtig dabei: Das Etablieren von zentralen Planungsprozessen müssen die Mitarbeiter in allen Fachbereichen mittragen. Change-Management ist hier von größter Bedeutung, auch weil lokale Entscheidungsträger in den Fachabteilungen oder Produktionszellen darin eine "Entmachtung" befürchten. Horst Pühringer hat für das Gelingen dieses Change-Managements ein gutes Beispiel parat: "Das Lager ist auf uns zugekommen und die Kollegen wollten von sich aus in die zentrale Planung aufgenommen werden. Wenn die Leute in ihren Bereichen die Planung und ihre Tools nutzen wollen, definiert das für mich eine erfolgreiche Umsetzung."

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