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Artikel und Hintergründe zum Thema

EPS auf Basis von Biopolymeren in die Serie gebracht

Grüne Schäume

Einer der renommierten Produzenten von expandierbarem Polysterol (EPS) in Europa bietet Rohmaterialien und geschäumte Produkte für Verpackung und Isolation auch auf Basis biobasierter Rohstoffe an. Von der Idee bis zur Serie waren einige Hürden zu überwinden - gemeinsam mit den Lieferanten der teils speziellen Anlagentechnologie.

Synbra Technology-Geschäftsführer Jan Noordegraaf (li.) und Prozessingenieur Daniel Nouws haben die Serienproduktion verschiedener Biofoam-Produkte fest im Griff.

Bestehende EPS-Produkte und Produktionen optimieren und neue Produkte und Anwendungen entwickeln - das ist fester Bestandteil der Strategie der niederländischen Synbra Group. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Unter anderem gehörte das feuerfeste EPS zu den Innovationen. Und ein ohne weitere Fertigungsschritte strahlungsabsorbierendes EPS ermöglicht beispielsweise die kostengünstige Isolierung von Labors und Messeinrichtungen.

Mit dem Slogan "Groener kunnen we het niet maken" bewirbt das Unternehmen nun seine jüngste Innovation: BioFoam - ein patentiertes, geschäumtes "EPS" für verschiedene Anwendungen wie Verpackung und Isolation. Im Jahr 2012 gelang es, den Werkstoff auf Basis von PLA in die Serie zu bringen. In diesem "grünen EPS" stammen aktuell rund 99 Prozent der Rohstoffe aus Pflanzen, der Prozess kann aber auch einfach auf die vollständige Substitution Öl-basierter Rohstoffe umgestellt werden.

Eine ganze Reihe von Anwendungen des grünen Schaums wurde inzwischen realisiert: Von Isolierplatten und körnigem Material zum Einblasen bei Innenausbau und Renovierung im Wohnungsbau über Transportboxen für die Medizin- und Pharmabranche sowie Substratkisten im Landbau bis zu Isolierschalen und Formteilen für die Heizungsisolierung sind bereits Produkte am Markt. Weitere Projekte sind in Vorbereitung.

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Der rechts stehende Kristallisator und Trockner wurde als eines der Kernelemente der PLA-Schaumproduktion aus einer Standardanlage entwickelt und speziellen Bedingungen angepasst.

Zwei Arten von Milchsäuren, beispielsweise gewonnen aus Zuckerrohr-Reststoffen, werden zu Lactiden aufbereitet, um daraus amorphes PLA zu produzieren. Das wiederum dient als Grundstoff für die Produktion der schäumbaren Werkstoffe. Nutzbar für die Lactid-Gewinnung sind aber auch andere nachwachsender Rohstoffe, Holz-Reststoffe, landwirtschaftlicher Abfälle, Gras und andere Ausgangsmaterialien. Anders als bei der Produktion von Bio-Treibstoffen heiß diskutiert, besteht hier also keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.

Kristallisation mit Spezialanforderungen
"Nach den ersten Ideen, Polylactide zu schäumbaren Materialien aufzubereiten, haben wir zunächst einige Zeit an den theoretischen Grundlagen des Prozesses gearbeitet", berichtet Jan Noordegraaf Geschäftsführer der Synbra Technology im niederländischen Etten-Leur. "Das Chemie-Know-how war teilweise bereits vorhanden, schließlich produzieren wir auch das Polysterol für unsere bisherigen Produkte selbst. Zusätzlich wurden Mitarbeiter eines Instituts der Universität Wagingen ins Boot geholt, mit denen heute gemeinsam entsprechende Patente gehalten werden." Relativ schnell stellte sich heraus, dass mit unterschiedlichen Mischungen der beiden PLA-Varianten PLLA und PDLA ein breites Spektrum an Werkstoffeigenschaften wie hohe Warmfestigkeit, unterschiedliche Härten usw. erzielbar sind.

Bis dato gab es keinerlei Erfahrungen mit der Produktion von PLA-basiertem "EPS". Im Labor ließen sich die Prozesse zwar nachvollziehbar ausprobieren. Ob sie aber auch in größerem Maßstab funktionieren würden und wie die einzelnen Anlagenkomponenten ausgelegt werden müssten, war noch offen. Als ein erfolgbestimmendes Element des Verfahrens erwies sich die Kristallisation.

Trotz des sehr kleinen Verarbeitungsfensters und anspruchsvoller Produkteigenschaften ist die Steuerung der Kristallisation und Trocknung laut Synbra völlig unproblematisch.

Da der Anlagenbauer Motan-Colortronic über den regionalen Vertriebspartner Ora Machines bereits mehrere Anlagen an Synbra geliefert hatte, sollten erste Versuche im Motan-Colortronic-Technikum in Deutschland zeigen, ob bereits bestehende Kristallisationsanlagen für das neue Produkt genutzt werden können. Auf Basis einer Standardanlage, die auch für andere amorphe PLAs und PET im Einsatz ist - wurde der Prozess von den Motan-Colortronic Applikationsingenieuren für die industrielle Anwendung adaptiert. Verschiedene Mischungsverhältnisse der PLA-Typen wurden mit unterschiedlichen Prozessparametern kristallisiert und die entstehenden Produkte getestet. Gleichzeitig spielten Fragen der Wirtschaftlichkeit eine Rolle.

"Die Herausforderung bestand unter anderem darin, die Temperaturführung in den Griff zu bekommen, um einerseits Verklumpungen sicher zu vermeiden und es vollständig zu kristallisieren, andererseits das Material nicht zu schädigen", erklärt Prozessingenieur Daniel Nouws. "Hier haben wir das Know-how von Motan-Colortronic-Mitarbeitern in deren Technikum genutzt." Es wurde eine spezielle Temperaturführung entwickelt, um Temperaturlunker und Verklebungen sicher zu vermeiden. Das Material wird im Trichter intensiv in Bewegung gehalten und in einem sehr engen Fenster verarbeitet.

In den Echtprozess gehen
Nachdem der Prozess der PLA-Kristallisation und Trocknung im Motan-Colortronic-Technikum seine generelle Funktionsfähigkeit bewiesen hatte, startete Synbra kurzfristig mit dem Echtbetrieb unter realen Bedingungen im eigenen Werk. Um das einerseits schnell, andererseits mit überschaubarem Risiko zu realisieren, stellte das Unternehmen Ora Machines, leihweise einen Technikums-Kristallisator sowie Verfahrens-Know-how in Form eigener Mitarbeiter zur Verfügung. Diese Anlage haben die Techniker entsprechend den Ergebnissen aus dem Technikum angepasst und in Betrieb genommen. "Wir haben uns hier ganz bewusst für Motan-Colortronic und Ora entschieden, weil beide Unternehmen mit einem eigenen Technikum arbeiten und bereit waren, Verantwortung in der Entwicklung zu übernehmen. Hier konnten wir nicht nur die moderne Technologie nutzen, die Unternehmen lieferten auch entsprechende Kompetenzen in der Verfahrenstechnik und sind bereit, an wirtschaftlich optimierten Lösungen zu arbeiten. Das ist gerade bei völlig neuen Produkten wie es Biofoam ja war, für uns sehr wichtig", begründet Jan Noordergraaf die Vorgehensweise.

Trotz komplexer Produkte eine einfache Bedienung der Anlage bringt Sicherheit in den Prozess.

Mit dieser ersten Anlage aus dem Bestand von Ora startete die Produktion und es wurden weitere Erfahrungen im laufenden Betrieb gesammelt. Die flossen in den speziell für dieses Projekt von Motan-Colortronic optimierten Kristallisator des Typs Luxor HDC und seine Nebenaggregate ein. Geblieben ist es bei der gerätetypischen offe-nen Prozessführung, die den hydrolytischen Abbau des Materials und den Energieverbrauch dank eines integrierten Wärmetauschers minimiert. Der schon standardmäßig robusten und verwindungssteifen Rührwerkskonstruktion kam hier aufgrund der Materialeigenschaften besondere Bedeutung zu. Die Temperaturführung wurde entsprechend dem schmalen Verarbeitungsfenster optimiert. Die feinfühlige Luftmengenregelung mit frequenzgesteuerten Antrieben und die variabel zu gestaltenden, automatisch laufenden Anfahrprogramme boten dafür gute Voraussetzungen. Typischerweise enthält das produzierte Material 100 bis 150 ppm Restfeuchte.

"Im Rückblick auf nun mehr als ein Jahr Echtbetrieb der neuen Anlage stellen wir fest, dass sich die gute Projektvorbereitung ausgezahlt hat: Aus dem Stand hat sie die geplanten Leistungsdaten erreicht und es gab keinen einzigen ungeplanten Stillstand, obwohl wir hier Neuland betreten haben¿, resümiert Jan Noordergraaf. Zudem sei die Bedienung vergleichsweise einfach und sicher, ergänzt Daniel Nouws.

Der Kristallisator ist ein Kernstück der Gesamtanlage zur Gewinnung und Verarbeitung der Polyactide. Gemäß der Synbra-Philosophie, ein möglichst langes Stück der Verarbeitungs- und Wertschöpfungskette unter Kontrolle zu haben, besteht so die Möglichkeit, Qualität und Kosten nachhaltig zu optimieren. Da ein Teil der Substrate auch im eigenen Haus geschäumt wird und entsprechende Erfahrungswerte vorliegen, ist sichergestellt, dass an externe Verarbeiter geliefertes Material optimale Ergebnisse beim Schäumen erbringt.

Die hier erprobte und inzwischen bewährte Technik zur PLA-Kristallisation und Trocknung mit maximal rund 800 Kilogramm Durchsatz pro Stunde ist skalierbar. Mit anziehender Nachfrage lassen sich problemlos größere Anlagen realisieren.

Technische Daten und Image nutzen
Günstige Werkstoffkennwerte, die in einem weiten Bereich steuerbar sind, zeichnen das "Grüne EPS" aus. Hervorgehoben werden die guten Isolier- und hygienischen Eigenschaften, UV-Beständigkeit und ganz besonders die industrielle Kompostierbarkeit. Nach einer einmaligen Erwärmung auf etwa 80 Grad Celsius setzt ein in wenigen Wochen abgeschlossener Zerfallsprozess ein. Damit eignet sich das Material beispielsweise für verschiedene Anwendungen in Gartenbau und Landwirtschaft. Zudem können Kugeln in unterschiedlicher Größe beispielsweise als Torfersatz im Ackerbau dienen. Das schützt die verbliebenen Moorgebiete. Erprobt wird aktuell der Einsatz von Biofoam als Substrat bei der Tomatenzucht, um die zu heutigen, als Müll zu entsorgenden Mineralfasergemische mit kompostierbaren Substanzen zu ersetzen, die vor Ort verarbeitet werden können.

Besonders im Wohnungsbau können die Isolierprodukte - als Platten, Formteile oder als einzublasende Kugeln - den Trend zum öko-logischen Bauen unterstützen. Transportkisten aus diesem Werk-stoff sind nicht nur gut isolierend, leicht und stabil, sie verringern den CO2-Footprint der Logistik erheblich. Die spezifischen CO2-Emissionen liegen unter 50 Prozent denen vergleichbarer konventioneller EPS-Produkte. Dass Synbra außerdem über Dampf zum Schäumen aus anderen Prozessen verfügt, trägt zusätzlich zur Nachhaltigkeit der Produktion bei. Mit dieser Entwicklung geht PLA einen weiteren Schritt, der Bio-Kunststoff für Massenanwendungen zu werden.

Die Synbra Group
Über die Zentrale im niederländischen Etten-Leur steuert die Synbra Gruppe ein Netzwerk von mehr als 25 Produktionsstandorten für EPS-Produkte in Europa mit etwa 1400 Mitarbeitern. Sie - sowie einige externe Kunden - werden über Etten-Leur mit Vor- und Rohmaterialien versorgt und produzieren unter verschiedenen Markennamen für die lokalen Märkte. Kennzeichnend sind ein breites Produktspektrum und regelmäßige Innovationen, die neue Anwendungen ermöglichen. In Deutschland werden EPS Bauproducte wie Xire und Biofoam von der Isobouw Dämmtechnik vertreten, Biofoam Verpackungsprodukte durch Synprodo bv.

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