Formenbau nutzt standortspezifische Vorteile
Mit chinesischen und deutschen Wurzeln
Zur Vergabe des Baus komplexer Formen an asiatische Unternehmen kann nahezu jeder deutsche Spritzgießer einen mehr oder weniger amüsanten Diskussionsbeitrag liefern - aus eigener Erfahrung oder vom Hörensagen. Die Bandbreite reicht von Zufriedenheit bis zum Schock. Wer hier erfolgreich sein will, benötigt die richtigen Partner - und etwas Branchenkenntnis.
Kostengünstig oder gar billig produzieren nach westlichen Qualitätsmaßstäben - und das natürlich schnell. Wer vor zehn bis 15 Jahren einigermaßen euphorisch asiatische Werkzeug- und Formenbauer als vermeintliches Sparschwein entdeckt und sie ohne gründliche Vorbereitung - man könnte auch blauäugig sagen - als Dienstleister verpflichtet hat, hat häufig Lehrgeld zahlen müssen.
Der Formenbau war und mit der Produktion von Spritzgießteilen nicht vergleichbar. Was bei letzterem in vielen Bereichen schon seit Jahrzehnten erfolgreich läuft, kann im Formenbau gründlich schief gehen: Komplexe Formen lassen nur selten den "Bau nach Zeichnung" zu. Es sind im Vorfeld umfangreiche Abstimmungen und häufig Optimierungen der Konstruktion notwendig. Dabei sind neben dem Verarbeiter gelegentlich zusätzlich die Lieferanten der Werkstoffe, der Anspritzsysteme und Heißkanäle und weitere Spezialisten im Boot. Zudem sind häufig während des laufenden Projekts kurzfristig und auch noch in späten Stadien Änderungen zu berücksichtigen. Verzögerungen oder nicht eingeplante Nacharbeiten können extreme Probleme bringen.
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Andererseits ist der Formenbau aufgrund der relativ hohen Lohnkostenanteile sehr interessant für eine Verlagerung nach Asien. Zwischen Kunde und Formenbauer ist jedoch ein Vertrauensverhältnis notwendig, in dessen Rahmen die Partner schnell und zuverlässig arbeiten. Störungen können dieses Verhältnis in kurzer Zeit gefährden.
Einen Zwischenweg, der die Vorteile beider Welten verbinden will, hat das Unternehmen Zimmermann Technik entwickelt. Die Mannschaft um Klaus Zimmermann baut seit rund zwölf Jahren Formen für die Spritzgieß-, Duroplast- und Druckgießfertigung - und zwar im chinesischen Shenzhen. Es können jedoch, da wo es Sinn macht, auch Formen in Deutschland gemeinsam mit Kooperationspartnern gebaut werden In solchen Fällen werden die Werkzeugkonstruktion und alle technischen Vorarbeiten in China erstellt.
Gebaut werden laut Zimmermann mit etwa 80 Mitarbeitern 300 bis 400 Formen pro Jahr mit maximal 25 Tonnen Gewicht. 95 Prozent seien von europäischen Kunden beauftragt, rund die Hälfte gehe in die Automobilindustrie und an ihre Zulieferer. Darüber hinaus entstehen hier Werkzeuge für Technische Kunststoffteile, Verpackungsteile und andere Artikel. Auch Präzisionsformen mit engen Toleranzen sind ein Schwerpunkt. Rund 25 Prozent des gesamten Outputs sind Prototypen- und Vorserienwerkzeuge. Neben Kunden in Europa, vor allem in Deutschland, liefert Zimmermann zunehmend auch nach Südostasien, Australien und Amerika. Ebenfalls am chinesischen Sitz Shenzhen, aber auch in Europa findet auf Kundenwunsch eine Teilefertigung statt.
Sicherheit ist gefragt
Ein nicht rechtzeitig zur Verfügung stehendes Serienwerkzeug kann den Spritzgießer direkt oder mittelfristig - über fehlende Anschlussaufträge - in den Ruin führen. Bei einem lokal ansässigen Formenbauer haben die Anwender zumeist zumindest das Gefühl, ein gewisses Maß an Kontrolle zu haben, das bei weiter entfernten Partnern nicht zu erreichen ist. Bei der Zusammenarbeit mit einem asiatischen Partner, und das gilt übrigens nicht nur für den Formenbau, sind Vorbehalte durchaus an der Tagesordnung. Geschäftssitz ist in diesem Fall Hong-Kong, der Gerichtsstand ist jedoch in der Regel im Land des Kunden. Das bietet eine gewisse Sicherheit für den Fall von Auseinandersetzungen.
Damit es aber erst gar nicht so weit kommt, rückt der Formenbauer nicht nur virtuell, per Mail und Serverzugang an den Kunden. Bei komplexen Projekten sind Projektingenieure direkt beim Kunden um Vorgehen und Details an Ort und Stelle zu diskutieren. "In 95 Prozent der Fälle", so Klaus Zimmermann, "ist jedoch der Informationsaustausch per Mail ausreichend. Wir bereiten die Anfragen so auf, dass der Kunde komplette Lösungsvorschläge erhält und nur noch entscheiden muss, welche Lösung er haben will". Entscheidend für den Projekterfolg sei auch hier zum großen Teil der Anfangsphase. Es keine Zeit zu verlieren. In der Regel erhalte der Interessent innerhalb von 24 Stunden eine Antwort. Detaillierte, wöchentlich aktualisierte Zeitpläne, Fotos oder Filme als Dokumentation des Projektstandes sollen für Transparenz sorgen. Änderungen während der Bauphase werden direkt in China vorgenommen, auch dafür werden Zeitpläne erstellt, aktualisiert und mit Bildern belegt. Fallen Änderungen an, wenn das Werkzeug schon in Deutschland ist, übernehmen das Kooperationspartner vor Ort.
Auch die Abmusterungen werden in China durchgeführt. Die Daten der Abmusterung erhalten die Kunden. Sie können verfolgen, ob die Abmusterung den Vorstellungen entspricht und gegebenenfalls eingreifen. Die Muster werden per TNT mit zweieinhalb bis drei Tagen Laufzeit versandt. Gleichzeitig erstellt die Qualitätssicherung einen Erstmuster-Prüfbericht und sendet ihn dem Kunden per Mail.
Nach Freigabe der Muster findet ein Testlauf des Werkzeugs unter Serienbedingungen in China statt. Nach Abschluss des Serientests wird das Werkzeug zerlegt und alle beweglichen und andere wichtigen Teile geprüft, um festzustellen, ob das Werkzeug korrekt gelaufen ist. Eventuelle Abweichungen werden korrigiert und es findet ein erneuter Testlauf statt. Da Zimmermann eine Garantie übernimmt, sei sichergestellt, dass das Werkzeug ohne Schwierigkeiten beim Kunden läuft. Eventuell notwendige Services während des laufenden Serienbetriebs übernehmen deutsche Kooperationspartner. Ersatzteile werden aus China zugeliefert, ein kompletter Satz Verschleißteile wird mit jedem Werkzeug ausgeliefert, die Kosten dafür sind im Werkzeugpreis enthalten. Außerdem werde aktuell der After-sales-Service in Deutschland, speziell weiter ausgebaut.
Schneller in die Serie
In den tendenziell weiter schrumpfenden Projektlaufzeiten zwischen Teiledesign und Serienanlauf spielt die Zeit des Formenbaus eine große Rolle. Trotz der notwendigen hohen Flexibilität des Formenbauers hinsichtlich Änderungswünschen und Realisierung spezieller Lösungen verlangend die Kunden auch hier nach geringstmöglichen Durchlaufzeiten. Dabei helfen laut Zimmermann die Arbeitszeiten im chinesischen Werk, man könne zumeist von sieben Arbeitstagen pro Woche mit je 24 Stunden Betrieb ausgehen. Dementsprechend stehen, so Klaus Zimmermann, je nach Komplexität und Größe des Werkzeugs die ersten Muster nach 20 bis 60 Tagen zur Verfügung. Nach Freigabe der Muster werden üblicherweise weitere sieben Tage bis zur Versandbereitschaft des Werkzeugs benötigt - einschließlich Serientestlauf. Bei Versand der Werkzeuge mit Luftfracht sind drei bis sieben Tage zu rechnen, bei kombinierter Luft- und Seefracht etwa 14 Tage, bei reiner Seefracht rund ein Monat.
Kernfrage: Was kostet es?
Wer den sensiblen Formenbau zum Dienstleister auslagert, und dann noch an einen mit respektabler räumlicher Distanz, will vor allem eins: Wirtschaftlicher werden, also hohe Qualität zu günstigeren Kosten erzielen. Dazu existieren in der Branche wilde Gerüchte und zum Teil jeder realistischen Betrachtung entbehrende Vorstellungen. Pauschale Aussagen lassen sich laut Klaus Zimmermann nicht treffen. Die Preisdifferenzen hängen von verschiedenen Randbedingungen wie auch von Artikel und Werkzeugart ab. Die Kostenersparnis soll im Verhältnis zu vergleichbaren deutschen und anderen westeuropäischen Werkzeugbauern zwischen 30 und 50 Prozent liegen. Dabei seien die Frachtkosten bereits enthalten. Dass diese Leistung nicht zu Lasten der Qualität oder der späteren Teilekosten in der Produktion geht, sollen laufende Optimierungen während Konstruktion, Abmusterung und Serienlauf garantieren. Dabei spielt die Entfernung offenbar keine Rolle: "In der Regel", so Klaus Zimmermann, "unterschreiten wir die gewünschte Zykluszeit".