Abmustern in der Fließsimulation
Simultan zum digitalen Prozess-Zwilling
In der Fließsimulation ermittelte Daten können die Zeit bis zur realen Bemusterung eines Werkzeugs reduzieren und teure Werkzeugänderungen vermeiden. Gezeigt hat dies ein Gemeinschaftsprojekt von Borealis, Oerlikon HRSflow und Engel.
Am Beispiel eines anspruchsvollen Werkzeugs haben die Projektpartner gezeigt, wie erfolgreich man die Spritzgießparameter in der Simulation optimieren und als Ersteinstellvorschlag direkt auf die Maschine übertragen kann, wenn alle relevanten Daten der Spritzgießmaschine, des verarbeiteten Materials sowie des Heißkanalsystems und weiterer Komponenten verfügbar sind. Die Erfahrungen dieser engen Zusammenarbeit, die Präzision der damit erreichten Punktlandung und mögliche Folgerungen für die Praxis haben die Partner auf der K 2022 vorgestellt.
Die Simulation erfolgte mit Hilfe des Moldflow-Programms am Beispiel eines Familienwerkzeugs mit drei Kavitäten und einem Gewichtsunterschied von 1:11 vom kleinsten zum größten Bauteil. Engel stellte die Spritzgießmaschine des Typs Duo, detaillierte Kenndaten, beispielsweise zu den Geometrien der verwendeten Düse, sowie die Datenschnittstelle Sim Link für die direkte Anbindung von Moldflow an die CC300-Steuerung der Spritzgießmaschine bereit. Von Borealis kamen die umfassenden Daten zum Fließverhalten des verwendeten Polypropylens Daplen EE001AI, und Oerlikon HRSflow steuerte ein servoangetriebenes 8-fach-Heißkanalsystem bei, das es erlaubt, den Volumenstrom zu steuern und so jede Kavität individuell zu befüllen.
Im traditionellen Ablaufschema tauschen sich die Beteiligten erst nach erfolgter Abmusterung über mögliche Fehlerursachen und Abhilfemaßnahmen aus. In dem hier beschriebenen Projekt startete die Optimierung hinsichtlich Temperierung, Einspritzcharakte-ristik und aller weiteren druck- und zeitbezogenen Spritzgießparameter gemeinschaftlich und sofort bei Beginn der Simulation. Die in mehreren Iterationsschritten ermittelten Parameter wurden anschließend per Sim Link auf die Maschine übertragen. Dieser Datentransfer zwischen Simulationssoftware und Spritzgießmaschine kann in beide Richtungen erfolgen. Somit ermöglicht er auch die Analyse von Prozessdaten, die wiederum Potenziale für Prozessoptimierungen liefert.
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Simulation und Praxis stimmen fast komplett überein
Der reale Anlauf der Fertigung unterstrich die Präzision der per Moldflow gefundenen Einstellungen. So stimmten das reale Füllverhalten und die Positionierung der Bindenähte zu 100 % mit der Simulation überein. Das Verzugsverhalten des größten Teils, der rund 600 mm x 400 mm messenden Türverkleidung, war auf ±2 mm genau vorausgesagt, und die Maße über die Diagonale mit über 650 mm wurden mit maximalen Abweichungen von nur 0,04 % eingehalten.
Dieses Ergebnis zeigt, dass das Potenzial für eine nachhaltigere Produktion in der Simulation liegt. So lässt sich in der Designphase erkennen, ob sich eine Maschine für das vorgesehene Produkt eignet oder ob sich durch den Einsatz einer kleineren Maschine Energie einsparen und die Effizienz in der Produktion steigern lässt. Zusätzlich reduziert der erarbeitete Einstelldaten-Vorschlag die Anzahl der notwendigen Einstellzyklen. Das führt zu weniger Ausschuss und einem niedrigeren Energieverbrauch bei der Bemusterung.