Grüne Werkstoffe

Hier geht’s um die „Wurst“ – und mehr

Kollagenfolien zwischen Lebensmittel- und Fahrzeuganwendungen
Beständigkeiten von optimierten Kollagenfolien nach einer einstündigen Behandlung im Wasserbad bei 80 Grad Celsius mit Vernetzermischung (VM), und ohne (unb. Folie).
Mitarbeiter der Hochschule Mannheim erforschen in einem Projekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt physikalische und chemische Eigenschaften von Kollagen, um aus diesem nachwachsenden Rohstoff Schutzfolien und -häute mit interessanten und individuell ausgestaltbaren Eigenschaften für diverse Anwendungen zu entwickeln.

Die wohl bekannteste Anwendung von Kollagenfolien ist deren Einsatz als Wursthülle, wie man sie beispielsweise vom Wiener Würstchen oder von der Fleischwurst her kennt. Doch auch ihre Verwendung als Flachfolie, beispielsweise bei der Herstellung von gekochtem Schinken im Netz, ist in der Fleischwarenindustrie bestens bekannt. Damit ist jedoch nur ein Bruchteil des Potenzials solcher Folien ausgeschöpft. Schon in den 90-er Jahren wurde gezeigt, dass sich Kollagenfolien wegen ihrer semipermeablen Eigenschaften grundsätzliche Eignung als Pervaporationsmembran eignen. [Maser, et.al., 1991].

In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Naturin Viscofan wurden nun im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Kollagenfolien geprüft, um zu sondieren, ob sich aus ihnen auch Schutzhäute und -folien für die Automobilindustrie entwickeln lassen. Denn viele Bauteile und fertige Produkte benötigen einen Materialschutz. So ist man aktuell auf der Suche nach Alternativen für die derzeit eingesetzten, teuren Polyolefin-Folien oder Haubenplanen zum Schutz der fertigen Fahrzeuge beim Transport zum Händler.

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Aber auch unlackierte Bleche benötigen Schutz vor Korrosion. Am Institut wurden Kollagenfolien hergestellt und getestet, in wie weit diese die strengen Anforderungen der Automobilindustrie erfüllen. Dabei zeigte sich, dass die Folien außergewöhnlich beständig gegen unpolare Substanzen sind und darüber hinaus noch einige weitere Vorzüge bieten. Auf anderen Gebieten ist der Einsatz von kollagenen Folien denkbar, beispielsweise

– Schutzüberzüge für landwirtschaftliche Maschinen

– Dünger-Streifen zur kontrollierten Abgabe von Nährstoffen

– Mulchfolien

– Saatgutverpackungen

– Essbare Verpackungen für Hunde- und Katzenfutter

– Verpackungen für fettige Lebensmittel (Hähnchentüten, Hamburger-Papier)

– Reis oder Klöße in wasserlöslichen, mit Gewürzen versehenen Beuteln

– Portionsbeutel für Gewürze oder Soßen, die sich beim Kochen auflösen oder mitgegessen werden können

– Träger von medizinischen oder kosmetischen Wirkstoffen

– Portionsweise Verpackungen für Waschmittel, die sich beim Gebrauch von selbst auflösen

Was ist Kollagen?

Kollagen gehört zu den Gerüsteiweißen. Es ist unter anderem Bestandteil der Bindegewebe, sein Anteil beträgt bis zu 30 Prozent des gesamten Körpereiweißes der Säugetiere. Man unterscheidet mehr als 25 Typen, von denen der Typ I der mengenmäßig Bedeutsamste ist. Im Typ I-Kollagen sind drei linksgängige Alpha-Helices im Wesentlichen über Wasserstoffbrückenbindungen zu einer rechtsgängigen Tripelhelix zusammen gelagert. Man nennt diese strukturelle Grundeinheit auch Tropokollagen [Reich, 1966]. Durch longitudinale und laterale Assoziation von Tropokollagen-Einheiten bilden sich gewebespezifische, fibrilläre Strukturen. Naturin Viscofan produziert Kollagen aus Rinderspalt. Dabei ergibt sich ein weißlich-opakes, viskoelastisches Gel, das je nach Trockenstoffgehalt die Zähigkeit eines Teiges oder eines dünnflüssigen Sirups hat. Ab einem gewissen Verdünnungsgrad sind solche Massen spritzfähig. Durch Zugabe von Vernetzern und weiteren Zusätzen kann Einfluss auf die Eigenschaften der später erzeugten Filme und somit auf die möglichen Anwendungsfelder genommen werden. Nach dem Trocknen erhält man eine widerstandsfähige Folie, die je nach Schichtdicke der aufgetragenen Massen und abhängig von verwendeten Zusätzen zur Vernetzung mehr oder weniger transparent und erstaunlich reißfest sein können.

Im Hinblick auf eine potenzielle Anwendung als Schutzfolien für Autos wurden unterschiedliche Folien entsprechend der Vorgaben der Automobilindustrie hinsichtlich ihrer Beständigkeit gegenüber diversen, exakt spezifizierten, Prüfsubstanzen untersucht. Dazu gehörten VE-Wasser, Kühlerfrostschutz, Getriebeöl, Bremsflüssigkeit, Scheibenklar mit Frostschutz, Motorenöl, Hydrauliköl, Automatic Transmission Fluid, Diesel- und Ottokraftstoff, Super bleifrei.

In ersten Testserien wurden bereits am Markt verfügbare Folien der Firma Naturin Viscofan getestet. Zur Bewertung der Permeabilität dieser Kollagenfolien gegenüber verschiedenen Prüfsubstanzen wurde ein eigenes Testverfahren entwickelt, bei dem jeweils ein 7 × 7 cm großes Stück am Rand mit einem Klebestift auf ein saugfähiges Labor-Papier geklebt wurde. Von oben wurde ein Glasstutzen mit dauerelastischem Abdichtband fest angedrückt und mit 10 ml Prüflösung gefüllt. Nach einer Stunde wurden Löschpapier und Folie hinsichtlich Veränderungen visuell beurteilt. Die geprüften Folien zeigten eine ausgezeichnete Rückhaltung gegenüber den getesteten unpolaren Substanzen. Polare Substanzen konnten diese Folien permeieren

Permeabilität und Beständigkeit

Zur Beurteilung der Beständigkeit der getesteten Kollagenfolien gegenüber den Prüfsubstanzen wurde jeweils ein Gramm der Folie für eine Stunde bei 20, 40, 60, und 80 °C in 50 ml der Prüfflüssigkeit getränkt. Bei leichtentzündlichen Prüfsubstanzen wurde die Prüfung nur bei 20 °C durchgeführt. Nach Ablauf der Prüfzeit wurde die nicht in Lösung gegangene Folie von der Prüfflüssigkeit getrennt und im Anschluss die Lösung bei 227 nm im Fotometer gegen die unbehandelte Prüflösung vermessen. Über eine zuvor erstellte Kalibriergerade wurde aus der Extinktion die in Lösung gegangene Kollagenmasse bestimmt.

Die Beständigkeitsprüfungen bestätigten die Ergebnisse der Permeabilitätsprüfung. Wie zu erwarten, werden Kollagenfolien als Protein-basierte Produkte besonders bei höheren Temperaturen und bei längeren Expositionszeiten von Säuren, Basen und wasserhaltigen Gemengen abgebaut.

Beständigkeit gegenüber polaren Substanzen beeinflussen

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Quellverhalten einer Kollagenprobe und deren Beständigkeit. In der Literatur werden verschiedene Methoden zur Vernetzung von Kollagen beschrieben, wodurch die Quellung herabgesetzt und somit die Beständigkeit beeinflusst werden kann. Im Organismus geschieht die Vernetzung des Kollagens posttranslational mit Hilfe von Enzymen [Kling, 2009]. Für die künstliche Quervernetzung des Kollagens existieren verschiedene physikalische und chemische Verfahren. Ausgangspunkt für die meisten Vernetzungen sind die ε-Aminogruppen der Lysin- und Hydroxylysinreste und die Carboxylgruppen der Asparagin- und Glutaminsäure. Als physikalische Verfahren sind die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht (254 nm, UV) und die dehydrothermale Vernetzung (DHT) hervorzuheben [Abke, 2003]. Im Rahmen der Untersuchungen gelang es, Substanzen und Substanzgemische für die Vernetzung zu finden, die die Kollagenfolien im Rahmen der Prüfbedingungen für die Beständigkeit nahezu unlöslich auch für polare Substanzen machen.

Die Ergebnisse zeigten, dass mit geeigneten Vernetzern und Zusätzen die Beständigkeit und Permeabilität von Kollagenfolien gegenüber polaren Substanzen wie Wasser beeinflusst werden kann. So konnten Folien hergestellt werden, die zu über 90 Prozent bei einer einstündigen Behandlung im Wasserbad bei 80 °C beständig waren bzw. erst nach etwa zwei Stunden für Wasser permeabel wurden.

Reißkraft und Dehnbarkeit

Zur Bestimmung der Reißkraft und Dehnbarkeit der Kollagenfolien wurden sie im Einklang mit Parametern für die Beständigkeitsprüfung von Schutzfolien für Automobile 48 Stunden im Trockenschrank bei 90 °C und 48 Stunden in der Gefriertruhe bei –40 °C gelagert. Nach anschließender 24-stündiger Aufbewahrung im Raumluftklima wurden die Proben über Nacht in einer Klimakammer bei 20 °C und 60 Prozent rel. Luftfeuchtigkeit gelagert. Anschließend wurde die Bruchspannung (Reißkraft) und Bruchdehnung in Anlehnung nach DIN EN ISO 527 mit einer Zugprüfmaschine aufgenommen.

Die unbehandelten Probekörper ließen sich im Durchschnitt zwischen 20 und 25 Prozent dehnen und sind bei einer Kraft von rund 10 Newton (33 N/mm2) gerissen. Nach der Behandlung bei 90 °C ist die Dehnung auf 17 bis 20 Prozent gesunken und die Reißkraft auf 10 bis 12 Newton (33– 40 N/mm2) gestiegen. Für Folien zum Schutz von Automobilen werden 20 N/mm2 gefordert. Bei den Reißwerten der im Gefrierschrank gelagerten Proben konnten keine relevanten Änderungen festgestellt werden.

Zusammenfassung interessanter Eigenschaften von Kollagen

Neben der Guss-, Extrudier und Streichapplikation können Kollagenmassen Gelcoat-Anlagen gespritzt werden. Damit lassen sie sich auf verwinkelte Geometrien auftragen. Die gespritzten Filme bieten nach dem Trocknen eine außergewöhnlich gute Beständigkeit gegenüber unpolaren Substanzen. Über die Art und Intensität der Vernetzung und die Zugabe von Zusätzen sind die Dehnbarkeit und Reißfestigkeit modifizierbar und die Beständigkeit gegenüber polaren Substanzen zu verbessern.

Die bisher entwickelten Kollagenfolien basieren auf einem zweikomponentigen Beschichtungssystem aus nachwachsenden Rohstoffen. Aus der Literatur ist bekannt, dass sich Kollagen unter Einsatz von Enzymen biologisch abbauen lässt [Cordes, 2009]. Entsprechende Untersuchungen an den Folien werden aktuell am Institut durchgeführt.

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