Automobiltagung 2009 in Mannheim

Kunststoffe auf Rädern

Veränderte Aufgaben im Fahrzeugbau
Die VDI-Tagung „Kunststoffe im Automobilbau“ Anfang März in Mannheim lockte weit mehr als 1000 Gäste in das Kongresshaus am Rosengarten und machte deutlich, dass sich die Aufgaben der polymeren Werkstoffe im Fahrzeugbau ändern, sich aber gleichzeitig neue Chancen eröffnen.

Etwa 10 bis 14 Prozent des Gewichts eines herkömmlichen Mittelklassewagens sind polymere Werkstoffe, also Thermo- und Duroplaste sowie Kautschuk. Ein wesentlicher Grund für den stetig wachsenden Anteil der Kunststoffe im Automobilbau war in der Vergangenheit nicht zuletzt der Wunsch, dass Fahrzeuggewicht zu reduzieren. Inzwischen jedoch ist in diesem Punkt eine Grenze erreicht, die nur wenig Spielraum für weitere Expansion lässt. Bei einem Prozentsatz derzeitiger Höhe stagniert der Kunststoffverbrauch in der Pkw-Fertigung auf relativ hohem Niveau. Je nach Fahrzeugtyp werden zwischen 120 und 160 Kilogramm Kunststoff in einem Personenkraftwagen verbraucht. Solch massiver Kunststoffeinsatz im Automobilbau ist gleichzeitig Beleg für den Erfolg dieser Werkzeugklasse generell. Spiegelt er über die Jahre doch wider, dass polymere Werkstoffe zum gegenwärtig hohen Standard der Kraftfahrzeuge ein gutes Stück beigetragen haben.

Prägend fürs Bild

Auch die diesjährige VDI-Tagung „Kunststoffe im Automobilbau“, zu der wieder weit über 1000 Teilnehmer Anfang März nach Mannheim gekommen waren, machte einmal mehr deutlich, welche Zugkraft die thematische Kombination von Kunststoff und Auto nach wie vor hat. Rudolf Stauber, Leiter der Mannheimer Veranstaltung, brachte es im Vorwort des Handbuchs auf den Punkt: „Kunststoffe unterstützen nachhaltig den Fortschritt im modernen Automobilbau.“ Nach seinem Eindruck und seinen Erfahrungen sichern innovative Systemlösungen auf Basis von Kunststoffen heute zahlreiche Fahrzeugeigenschaften sowohl bei Personenwagen als auch Nutzfahrzeugen ab.

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Kunststoffe prägen Konzeption und Erscheinungsbild neuer Fahrzeuggenerationen. Entwicklungsziele wie Anmutung und Komfort, Sicherheit und Leichtbau oder auch Qualität und Kosten werden unmittelbar durch das Werkstoffkonzept und die entsprechende Bearbeitungs- und Fertigungsmethoden beeinflusst. Besonders im Vordergrund aktueller Automobilentwicklungen stehen derzeit neuartige Kunststofftechnologien für die Systeme Leichtbau, Fahrdynamik, Sicherheit, Aerodynamik und Komfort. Pfiffige Werkzeugkreationen und moderne Verfahren der Kunststoffverarbeitung würden darüber hinaus in vielen Fällen besonders wirtschaftliche Bauteillösungen ermöglichen.

Die diesjährige Automobiltagung der VDI-Gesellschaft Kunststofftechnik gab da einen recht guten, wenn auch sicher nicht den im Prospekt versprochenen „umfassenden“ Überblick über aktuelle kunststofftechnische Entwicklungen der heimischen Pkw- und Nutzfahrzeugbauer. In einer Fülle von Fachberichten aus den Fahrzeugbereichen Exterieur und Interieur sowie aus dem Gebiet der Aggregate wurde über Bauteilkonzepte, über Gestaltung und versuchstechnische Absicherung informiert. Schwerpunkte des Kongresses im März waren unter anderem das Thema Designfreiheit, die Auslegung hochwertiger Fahrzeug-Innenräume, Komfort und Bedienungsfreundlichkeit, Leichtbauweise, Akustik und Dämmung oder – ganz zeitnah – die Reduktion von Treibstoffverbrauch und Emission.

Noch genug Öl im Sand

Nach offiziellen Schätzungen werden heute weltweit etwa 84 Milliarden Barrel Öläquivalente an Energie verbraucht. Dabei tragen die fossilen Rohstoffe Kohle, Erdgas und Öl mit ca. 81 Prozent den bei weitem größten Anteil an unserer Energieversorgung. Wir wissen inzwischen, dass die Reserven an Kohle, Erdgas und vor allem Öl zwar endlich sind, dass aber gerade für Öl in den nächsten 50 Jahren nicht mit einer Verknappung normaler Art zu rechnen ist. Noch ist genug Öl im Sand. Allerdings könnten die Förderländer eine künstliche Verknappung inszenieren, um die Preise noch höher zu treiben. Andererseits können aufgrund verbesserter Aufspür- und Fördertechniken inzwischen auch kleinere und schwieriger zugängliche Lagerstätten des „schwarzen Goldes“ wirtschaftlich erschlossen und ausgebeutet werden.

Und wir wissen, dass etwa 90 Prozent des weltweit verbrauchten Öls schlichtweg verbrannt wird: für Transport und Verkehr, für die Heizung oder Kühlung von privat oder industriell genutzten Gebäuden sowie für die Erzeugung von Elektrizität. Bei knappen Ressourcen allerdings ist deren simple Verbrennung die denkbar ineffizienteste und gleichzeitig endgültige Nutzung, noch dazu eine der großen Quellen für die unerwünschte Emission von Treibhausgasen. Die Herstellung von chemischen Produkten und besonders von Kunststoffen ist dagegen die einzige wesentliche Nutzung fossiler Rohstoffe, bei der diese nicht verbrannt, sondern nachhaltig genutzt werden. Vor diesem Hintergrund liegt nach Einschätzung von John Feldmann der wesentliche Grund, Kunststoffe zu produzieren und einzusetzen, in der großen Energieeffizienz, wie sie diese Werkstoffe bieten.

Feldmann, Mitglied im Vorstand des Chemiemulti BASF, stellte auf der Mannheimer Autotagung dem Auditorium die Kunststoffe als „Werkstoffe der Energieeffizienz“ vor. Seine Ausführungen sollten deutlich machen, dass die Herstellung polymerer Werkstoffe über die eigentliche Absicht hinaus noch einen quasi „ökologisch/ökonomischen Aspekt hat. Nach einer Studie der Gesellschaft für Umfassende Analysen (GUA) spart der Einsatz von Kunststoffen bei Pkws in Westeuropa ungefähr 2,37 Millionen Tonnen Kraftstoff pro Jahr. Das würde etwa 107 Millionen Gigajoule oder einer Reduzierung der Emission um ca. 9,2 Millionen Tonnen CO2 jährlich entsprechen. Zum Vergleich: Das ist in der Summe soviel wie der jährliche Kraftstoffbedarf aller Verkehrsmittel auf den Straßen von Slowenien und der Slowakei.

Der profane Alltag

Während die Ausführungen des BASF-Manager Feldmann mehr den Charakter eines Plenarvortrags hatten, beleuchteten andere Referate stärker den ganz profanen Alltag des Automobilfabrikanten. Da ging es beispielsweise um „Kunststoffanwendungen im Interieur“, um den „Beifahrer-Airbag als Kunststoffsystemlösung“, um „Wirkungsweise und Anwendungsgebiete von Permanent-Antistatika in thermoplastischen Polymeren“, um „Design- und Techniktrends in der Lichttechnik“, um „Neue Anforderungen an Polymere im Kraftstoffsystem“, um die „Entwicklung einer Motorraumabdeckung mit akustischer Absorption“ oder um „Polyamid in der Triebwerkslagerung“.

Aus vielen Referaten wurde ersichtlich: Es sind die Verbesserungen im Detail, die gegenwärtig im Vordergrund kunststofftechnischer Ambitionen stehen. Nach Jahren einer dynamischen Entwicklung und permanent steigenden Anteilen polymerer Werkstoffe am Fahrzeug beginne nun eine Phase der Konsolidierung, allenfalls der einer verhaltenen Progression. Zu diesem Fazit kam schon 2004 ein von der Düsseldorfer Messegesellschaft zur damaligen K publizierter Fachbericht. Quantensprünge hinsichtlich der Gewichtsminimierung und zu Gunsten der Kunststoffe, wie die Ablösung der traditionellen, aus verchromten Stahlblech geformten Stoßstangen durch die aus Kunststoff montierten Stoßfängersysteme sind auf absehbare Zeit nicht zu erkennen. Zwar würden Vollkunststoffscheiben aus in der Regel Polycarbonat kurz vor der Markteinführung und dem Serieneinbau stehen, aber dann lediglich für Rückscheiben und freistehende Seitenscheiben. Doch selbst jetzt, gut vier Jahre später, ist herzlich wenig davon zu erkennen, ganz zu schweigen von Kunststoffscheiben im Frontbereich. Da werden wohl noch einige Tagungen in Mannheim ins Land gehen, bis hier Erfolg gemeldet werden kann. Zur nächsten Tagung in 2009 können Sie sich ja schon mal vormerken lassen.

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