Spritzgießen 2008
VDI-Spritzgießertagung 2008
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Wie sich das in der Praxis umsetzen lässt, wie vor allem besagte Innovation und mehr Produktivität dem herkömmlichen Spritzgießbetrieb zu ungeahnter Blüte verhelfen soll, war Thema der diesjährigen Spritzgießer-Fachtagung des VDI Ende Januar in Baden-Baden. An zwei Tagen wurde dort im Kongresszentrum in einer Fülle von Referaten abgehandelt, was den Teilnehmern nach Vorstellung der Veranstalter „eine große Vielfalt an Informationen rund um das Thema Spritzgießen bieten soll“. Versprochen wurden „umfassende Informationen zu neuen Marktentwicklungen, zu den Fortschritten bei Konzeption und Herstellung von Werkzeugen sowie aktuelle und realisierte Innovationen bei der Maschinen- und Prozesstechnik“.
Anstehende Probleme lösen
Für den Hochschuldozenten Jaeger, in seiner Funktion als Vorsitzender des Fachbeirats Spritzgießen in der VDI-Gesellschaft Kunststofftechnik (VDI-K) auch Leiter der Tagung, ist für die praktische Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ganz wesentlich, dass gleichzeitig wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt und anstehende Probleme gelöst werden. Was nicht immer der Fall ist. So werde seit gefühlten zwei Jahrzehnten von den erstaunlichen Vorteilen einer integrierten Prozesskontrolle zur optimierten Qualitätssicherung geschwärmt. Doch ein breiter Einsatz relevanter Methoden wie statistische Versuchsplanung zur Prozessoptimierung, Qualitätsfunktionen zur online-Überwachung des Prozesses und Sensoren in Mehrkavitäten-Werkzeugen sei bis dato ausgeblieben. Stellt sich die Frage, woran scheitert es? Ist es der damit verbundene Aufwand, der sich nicht rechnet? Oder ist es nicht vielmehr die unzureichende Zuverlässigkeit solcher Methoden im praktischen Einsatz?
Jetzt auf der Tagung in Baden-Baden berichtete der Diplomingenieur Lothar Stockmann von der Schweizer Firma Gebrit über eine solche 100-Prozent-Prozessüberwachung im Spritzgießbetrieb. Um dem permanent steigenden Kostendruck, der zunehmend geforderten Nachweis- und Dokumentationspflicht und der erweiterten Produkthaftung gerecht zu werden, sei der Kunststoffverarbeiter gezwungen, neue Wege in der Qualitätssicherung einzuschlagen. Einer dieser denkbaren Wege bestehe darin: Weg von der kostenintensiven und dennoch unvollständigen Formteil-Endkontrolle – hin zur Prozesskontrolle, die eine 100prozentige Qualitätsüberwachung und lückenlose Dokumentation ermögliche.
Geberit verwendet neben den allgemein bekannten Maßnahmen der Qualitätsüberwachung seit einigen Jahren nun schon eine Methode zur 100-Prozent-online-Prozesskontrolle, um eine quasi „optimale“ Qualität in der Produktion zu gewährleisten. Doch als Nonplusultra kann auch diese Methode nicht überzeugen. Der Aufwand ist relativ hoch, die erforderliche Maschinenausrüstung aufwändig, die Schulung der Mitarbeiter umfangreich, und am Ende ist das ganze Verfahren auch nur ein weiterer Baustein im gesamten Kontext.
Der Einsatz der beschriebenen Methode bei dem Schweizer Unternehmen eigne sich nach dem Fazit des Referenten nicht für alle Teile, sondern überzeuge vor allem dann, wenn die Qualität aus beispielsweise Gründen der Sicherheit lückenlos überwacht und dokumentiert werden muss.
Mit Service punkten
Grundsätzlich jedoch gelte, dass im Hochlohnland Deutschland Automatisierung und Standardisierung sowie technische Innovationen durchaus Chancen für spürbaren Erfolg bieten. Das trifft in diesem Zusammenhang nicht nur auf den Spritzgießer in seiner eigenen Position zu, sondern gilt ebenfalls für die Kollegen vom Formenbau. Damit die auf lange Sicht bestehen können, sollten sich die Formenbauer zusätzliche Geschäftsfelder erschließen. Vielleicht sollten sie sich mal mit dem Thema Dienstleistung beschäftigen, einem Schlagwort, das durch alle Branchen geistert. Wie man mit Dienstleistungen im Werkzeugbau Wertschöpfung und Kundenbindung generiert, wurde auf der Tagung zumindest mal angesprochen. Unter dem Titel „Neue Geschäftsmodelle im Werkzeugbau“ konnte von Erkenntnissen an der RWTH Aachen und dessen Werkzeugmaschinenlabor (WZL) berichtet werden.
Damit nicht genug! Als Bilanz dieses zweitägigen Vortragsmarathons an den nördlichen Hängen des Schwarzwalds lässt sich darüber hinaus festhalten: Ein nachhaltiger Umgang mit Rohstoff und Energie macht sich nicht nur positiv in der eigenen Kasse bemerkbar, sondern wirke sich vorteilhaft auch auf die Akzeptanz der Produkte am Markt aus. Gerade in der Spritzgießindustrie sind zahlreiche Potenziale für einen ökologischen Ansatz zu finden. Das Spektrum reicht von der umweltgerechten Produktentwicklung, über den Leichtbau bis hin zur Energieeinsparung in der Fertigung. Servoelektrisch angetriebene Spritzgießmaschinen, deren Preisgefüge sich zunehmend dem von hydraulischen Maschinen nähert, sind hier ein Beispiel für die angedachte Richtung.
Wem das an denkbaren Schlüsseln nicht genügt, der könnte sich das Handbuch mit den Referaten dieser Tagung besorgen. Vielleicht sind noch ein paar Exemplare vorrätig!