Editorial

Lösungen zu bieten…

…zu denen die richtigen Probleme gesucht werden müssen, scheinen mir irgendwie auf ein Luxusproblem des Ingenieurswesens hinzudeuten. Anlass des Grübelns: Der Hersteller einer Mittel- bis Oberklassenlimousine möchte nicht, dass der Diesel wie ein Diesel, sondern wie ein Benziner oder auch ganz anders klingt. Das kann ich als Autofahrer durchaus verstehen. Schließlich gehört zum Komfort auch ein niedriger Lautstärkepegel im Innenraum.

So weit so falsch: Es geht nämlich vordergründig um das Außengeräusch. Na gut, auch meine Mitbürgerinnen und Mitbürger sollen nicht mehr als unbedingt erforderlich belästigt werden, wenn ich vom Hof rolle. Und noch mal falsch gedacht: Es geht nicht darum, den morgendlichen Lärm insgesamt zu reduzieren, sondern einen „typischen“ Sound zu kreieren. Was immer damit gemeint ist, vermutlich jedoch nicht das unter Umweltschutzgesichtpunkten mögliche Optimum. Dazu wird im Auspuff ein Soundgenerator installiert, der das zur jeweiligen Fahr- (oder Stand-)situation passende Auspuffgeräusch erzeugt. Das erinnert mich fatal an chromglänzende Auspuffblenden, Kunststoffschweller in Brachialoptik rund ums Auto und Fuchsschwanz an der Antenne. Weder schön noch nützlich. Hauptsache anders.

Als Ingenieur denke ich ganz sicher oft zu funktionsorientiert – eher nach dem Motto „mehr Nutzen für weniger Geld“. Aber mein Wagen trägt ja auch keine aufsehenerregende Sonderlackierung. Wenn schon am Auspuff basteln, dann doch sicher, um die Geräuschemission insgesamt weiter zu drücken, ihn haltbarer zu machen oder um die Herstellkosten zu senken. Auf die Idee, den Klang einfach ohne weiteren Nutzen mit aufwendiger Technik zu verändern, käme ich allerdings nicht. Übrigens auch nicht darauf, ein Abgassystem zu genehmigen, dessen Lautstärke sich auf Schalterdruck erhöhen lässt, wie es an dem einen oder anderen Motorrad inzwischen verbaut wird. Und zwar mit Genehmigung unserer Behörden.

Anzeige

Fragt sich, ob der Entwickler der Soundgeneratoren neue Anwendungen und Kunden für seine Produkte gesucht hat, oder der Fahrzeughersteller bei der Suche nach Potenzialen zur Abgrenzung vom Wettbewerb am Auspuff angekommen ist. Ich warte jetzt darauf, dass die nächste Spritzgießmaschinen-Präsentation ein schickes Meereswellenrauschen beim Schließen als High-light bietet. Oder vielleicht doch ein dumpfes Acht-Zylinder-Grollen?

Wie auch immer: Im Moment haben die Maschinenbauer in unserer Branche noch genug damit zu tun, Effizienz in ihre Systeme hinein zu produzieren. Und das verstehen sie prächtig. Sie bieten Lösungen – aber für die echten Probleme und Anforderungen ihrer Kunden.

Anzeige

Das könnte Sie auch interessieren

Anzeige

Editorial KM 03/2023

Was sagt denn die KI dazu?

Ende letzten Jahres hat die Firma Open AI ihren Dienst ChatGPT auf die Welt losgelassen, seitdem schlägt das Thema künstliche Intelligenz hohe Wellen. Es scheint, als gebe es fast keinen Bereich mehr, indem es nicht einen Selbstversuch gegeben hätte.

mehr...

Editorial KM 01-02/2023

Am Reduzieren geht kein Weg vorbei

Plastik in den Ozeanen ist so gut wie unvergänglich – die Zahlen, wie lange es dauert, bis eine Plastiktüte oder gar eine PET-Flasche im Meer zerfällt, variieren. Aber ob die Plastiktüte 10 oder 20 Jahre braucht und PET 400 oder 450  Jahre, es steht...

mehr...

Editorial KM 01/2023

Ein Blick in die Glaskugel …

… wäre zuweilen ganz schön, vor allem wenn plötzlich Herausforderungen auftauchen, die vorher so abwegig erschienen. Vor ziemlich genau einem Jahr beschäftigten uns noch die Auswirkungen der Pandemie: unsichere Planung, Rohstoffknappheit,...

mehr...
Anzeige
Anzeige

Editorial KM 11-12/2022

Ein Gruß zum Abschied

Liebe Leserinnen und Leser, auch wenn ausnahmsweise zwei Gesichter das Editorial zieren – es gibt keine Hochzeit zu verkünden. Eher das Gegenteil: Nach rund 20 Jahren Tätigkeit für das KUNSTSTOFF MAGAZIN verabschiede ich mich zum Jahresende aus der...

mehr...
Anzeige

Editorial KM 9/2022

Kommt der große Schock im Herbst?

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die Tage werden kürzer und die Temperaturen erträglicher. Und während wir im Sommer kaum einen Gedanken ans Heizen verschwenden wollten, wird mit dem Herbst die Frage nach den gestiegenen Energiekosten immer...

mehr...
Anzeige
Anzeige
Anzeige

Editorial KM 7-8/2022

Freund oder Feind?

Zum Thema Kunststoff haben die meisten Menschen ein ambivalentes Verhältnis. Zum einen ist er unverzichtbar im Medizin- und Gesundheitsbereich, im Computer- und Elektroniksektor oder auch für Verpackungen von Lebensmitteln. Auf der anderen Seite...

mehr...