IK und Kunststoffland NRW

Annina Schopen,

Aufregung um ARD-Doku „Die Recyclinglüge“

Am Abend des 20. Juni hat Das Erste die Reportage „Die Recyclinglüge“ ausgestrahlt, die der Frage nachgeht, welche Verwertungswege Verpackungsabfälle aus Kunststoff nehmen. Sowohl die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen als auch Kunststoffland NRW reagierten mit einer offiziellen Stellungnahme enttäuscht auf die Sendung.

© AdobeStock_Odua Images

Zum Inhalt der Dokumentation hatte die ARD angekündigt: „In den letzten Jahren hat sich die Plastikkrise verschärft. Bilder von verendeten Tieren und verschmutzten Ozeanen gehen um die Welt. Die Verpackungsindustrie meint, eine Lösung für das Problem zu haben: Recycling. Auf immer mehr Flaschen, Schachteln und Tüten findet sich der Aufdruck „100 % recycelbar". Aber wenn Recycling wirklich die Lösung ist, warum wird dann heute mehr Neuplastik produziert als je zuvor? Könnte Recycling in Wahrheit nichts weiter als „Greenwashing“ sein? Dieser Film nimmt eine Industrie unter die Lupe, die das Problem lieber verbirgt als löst. Die Autoren spüren Müllmakler auf, die Plastikmüll illegal im Ausland verklappen, Industriezweige, die sich an der Verbrennung von Müll bereichern, und Mafia-Netzwerke, die mit Abfallschmuggel inzwischen so viel Geld verdienen wie mit Menschenhandel. Der Film zeigt, wie einige der größten Konsumgüterhersteller der Welt Recycling als Vorwand benutzen, um ohne Konsequenzen weiter die Umwelt verschmutzen zu können. Wir alle leben in einer Welt, die im Müll ertrinkt, und dieser Film stellt die Frage: Wer verdient an der Plastikkrise – und wie kommen wir da jemals raus?“

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Enttäuschung über verunsichernde Botschaft

Die IK schreibt in Ihrer Stellungnahme dazu: „Während die investigativen Recherchen eindringlich den weltweiten Handlungsbedarf gegen Abfalleinträge in die Umwelt zeigen, lässt die Conclusio der Redakteure und damit die Botschaft an das deutsche Fernsehpublikum die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen rat- und fassungslos zurück. Das Recycling von Kunststoffen sei per se eine Lüge und nicht möglich, das Sammeln und Sortieren damit hinfällig. Einzig der Verzicht auf Plastik sei die Lösung.

Als Verband der Kunststoffverarbeitenden haben wir überlegt, ob und wie wir auf die aus unserer Sicht fehlenden Fakten zur Lage in Deutschland und Europa und die ebenso einseitige Betrachtung von Plastik als Abfall reagieren. Wir könnten über Abfall als Wertstoff sprechen, über zunehmenden Rezyklateinsatz oder steigende Recyclingquoten, weniger CO2, eine deutlich steigende Nachfrage nach Recyclingmaterial – und das nicht nur wegen der hohen Ölpreise – , über veränderte Verpackungsgestaltung für einfacheres Recycling, über eine Transformation der Industrie, über Mehrweg und den Verzicht auf unnötige Produkte und auch über das selbstkritische Eingestehen von Fehlern sowie die großen Probleme in der Welt vor allem wegen fehlender Abfallinfrastrukturen.

Aber wir setzen aus. Wir kommunizieren seit Jahren genau das. Heute sind wir einfach mal nur enttäuscht von einer Reportage, die ihren Zuschauern trotz leicht auffindbarer Gegenbeispiele sagt, dass Recycling nicht funktioniert und nie funktionieren wird. Dass die Anstrengungen der Industrie allesamt Greenwashing seien und keinerlei Fortschritte erzielt wurden. Dass Kunststoff keinen Beitrag zum Klimaschutz leiste und es uns ohne dieses Material viel besser ginge. So einseitig, so pauschal.

Wir kennen unsere Schwachstellen und wir arbeiten daran, diese zu beheben. Wir wissen aber auch, dass wir zum Schaffen von Stoffströmen überzeugte Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen. Diese sind durch die Reportage jedoch verunsichert worden. Als Reaktion auf den Film werden sie vermutlich nicht weniger Verpackungen nutzen, diese aber mit voller Überzeugung in den Restmüll und damit in die Verbrennung geben. Damit leistet Das Erste der Kreislaufwirtschaft einen Bärendienst.“

"Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten"

Auch Kunststoffland NRW reagierte ähnlich. Es sei klar, dass Kunststoff zeitnah zirkulär werden müsse, hieß es in der dortigen Mitteilung. Missstände im Handling mit Kunststoffen gerade am Ende der Nutzung sowie kriminelles Handeln dürften nicht geduldet werden und müssen verfolgt werden. Um Kreislauffähigkeit zu erreichen, brauche es die nötigen Rahmenbedingungen, Investitionen und Investitionssicherheit.„Aus dem Vorhandensein von Mängeln und der Existenz schwarzer Schafe aber den Schluss zu ziehen, man müsse generell auf Kunststoffe verzichten ist falsch,“ wird Kunststoffland NRW Geschäftsführer Ron Brinitzer zitiert, „hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet!“

Brinitzer weise darauf hin, dass Kunststoffe immer eine Funktion erfüllen und das meist besser, günstiger und oft ökologischer als andere Werkstoffe. „Kunststoffverpackungen im Lebensmittel- und Konsumgüterbereich verhindern zum Beispiel Lebensmittelverschwendung, verbrauchen bei der Herstellung weniger Energie als ihre Alternativen und senken aufgrund ihres geringen Gewichts den CO2-Ausstoss“, so der Geschäftsführer. Ohne Kunststoffe würde es nicht gelingen, die großen Gegenwartsprobleme in den Griff zu bekommen. Das Vorhandensein von Missständen müsse insofern als Anreiz verstanden werden, sie abzustellen und es besser zu machen. „Die gesamte Wertschöpfungskette Kunststoff ist sich dessen bewusst und sie arbeitet daran“, betonte der Geschäftsführer, „sie kann Recycling und sie macht Recycling!“

Derzeit finde durch die Verbesserung und Skalierung von Anlagen des mechanischen und des chemischen Recyclings ein großer Wandel statt. Hier bestehe auch angesichts der derzeitigen Rohstoff- und Energiekrise ein Riesenmarktpotenzial und dringender Handlungsbedarf. „Wir brauchen mehr Geschwindigkeit und mehr PS auf der Straße. Der Ehrgeiz der Branche besteht darin, nicht nur hier zu einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft zu kommen,“ stellte Brinitzer fest, „Wenn wir hier die Technologien voranbringen und zur Reife entwickeln, eröffnen wir große Exportchancen auch in die Regionen, in denen dringend eine geordnete Abfallentsorgung gebraucht wird, um den Kunststoffkreislauf auch dort zu schließen.“

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