Fachkräftegewinnung in der K-Industrie

Das Polymer Training Centre nimmt seinen Betrieb auf

Statt über den Fachkräftemangel zu lamentieren, hat das Kunststoff Institut Lüdenscheid Fakten geschaffen – und eine Basis, diesem Problem entgegen zu wirken. Mit Eröffnung des Polymer Training Centre (PTC) wurden Kapazitäten für vielfältige Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen.

Andreas Lux (2.v.r), stellv. Hauptgeschäftsführer der SIHK zu Hagen, überreicht das Fassadenschild an Geschäftsführer Stefan Schmidt, Projektleiter Torsten Urban und Geschäftsführer Thomas Eulenstein (v.r.) vom Kunststoff-Institut. © Kunststoff Institut

Fakt ist indes, dass die heimische Kunststoffindustrie zwar einerseits vom Fachkräftemangel besonders stark betroffen ist, andererseits aber äußerst gute Voraussetzungen mitbringt, die es zu nutzen gilt. Es existieren eine größere Zahl so genannter Hidden Champions, die vor allem im Automotive-Sektor, aber auch in den Bereichen Lampen- und Leuchten, Elektro- und Medizintechnik eine gute Marktposition haben, zu deren Verteidigung und Ausbau dringend Fachkräfte benötigt werden. Laut Branchenverband Plastics Europe befassen sich bundesweit etwa 2900 Unternehmen mit rund 317 000 Mitarbeitern mit der Verarbeitung von Kunststoffen. Auf das „Heimat-Bundesland des Kunststoff-Institutes NRW entfallen hiervon über 1000 Betriebe mit rund 140 000 Mitarbeitern (Quelle: Kunststoffland NRW), was NRW zu einem kunststofftechnischen „Hotspot“ macht.

Die allgemeine demografische Entwicklung weist aktuell keinen weiteren Bevölkerungsrückgang auf, jedoch haben die meisten Unternehmen erhebliche Nachwuchssorgen: Belegschaften altern, wertvolles Erfahrungswissen droht verloren zu gehen, wenn altgediente Mitarbeiter das Unternehmen verlassen und sie zuvor keine Gelegenheit hatten, dieses an die jüngeren Generationen weiterzugeben.

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Die Arbeitslosenquote ist laut statistischem Bundesamt (Studie aus 2016) bei Geringqualifizierten mit 18,5 Prozent mit steigendem Trend nach wie vor am höchsten. Gleichzeitig nimmt der Bedarf an Geringqualifizierten ab. Diese Entwicklung ist nach mit den steigenden technischen Anforderungen an Produkte und Prozesse zu begründen – ganz besonders in der Kunststoffindustrie. Und je komplexer eine Aufgabe ist, desto weniger sind Geringqualifizierte einsetzbar.

Das Technikum bietet ein breites Spektrum an Maschinen, Peripheriesystemen und Platz für Gruppenarbeiten. © Kunststoff Institut

Die Industrie benötigt JETZT Fachkräfte. Aus eigener Erfahrung wissen die Mitarbeiter des Kunststoff-Institutes Lüdenscheid, dass bereits manches Unternehmen lukrative Aufträge ablehnen musste, weil die Durchführung aufgrund des Fehlens von Fachkräften unmöglich war.

Diese Umstände und die über 30-jährige Erfahrung auf dem Aus- und Weiterbildungssektor haben das Kunststoff-Institut Lüdenscheid dazu veranlasst, ein Handlungskonzept zu entwickeln, das der Industrie innerhalb der nächsten ein bis drei Jahre die so dringend gesuchten Fachkräfte liefern soll.

Schulungszentrums für die Kunststoff-Industrie
Am 21. Juni 2018 ist in Lüdenscheid das Ausbildungszentrum für die Kunststofftechnik mit neuem und einzigartigem Schulungsangebot speziell für die Kunststofftechnik eröffnet worden. Karl-Uwe Bütof, Leiter der Abteilung Innovation und Märkte des Wirtschaftsministeriums NRW, stellt in seiner Begrüßungsrede nochmal dar, warum sein Ministerium dieses Projekt mit mehr als 3 Millionen Euro gefördert hat. „Der innovative Ansatz dieser Ausbildungsstätte und seine enge Verzahnung mit der Industrie, hat unser Ministerium von Anfang an begeistert und wird einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den Fachkräftemangel in der Kunststoffindustrie zu lindern.“

Laborbereiche mit moderner Werkstoffprüftechnik einschließlich Digitalmiskroskope, MVR-Geräten, Wärmeschränken, DSC-Anlagen, Zug- und Druckprüfmaschinen, Infrarotspektroskopie und Feuchtmessgeräte ermöglichen auch detaillierte Qualitätsprüfungen. © Kunststoff Institut

Der Aus- und Weiterbildung stehen damit auf insgesamt fünf Etagen annähernd 2000 Quadratmeter Nutzfläche in Form von Seminarräume, Labors und Maschinenhallen zur Verfügung. Allein im Neubau wurden über 50 Arbeitsplätze neu eingerichtet. Neben nun zwölf Spritzgießmaschinen unterschiedlicher Hersteller im Schließkraftbereich von 500 bis 4000 Kilonewton, ist auch umfangreiche Peripherie, wie Temperiertechnik, Roboteranlagen, Materialversorgung und –trocknung, Werkzeuginnendruckmessung, SPC-Prüfplätze und zahlreiche Demonstratoren verfügbar. Im Laborbereich finden sich moderne Geräte, um die gesamte Bandbreite der Werkstoffprüftechnik abzudecken: Digitalmiskroskope, MVR-Geräte, Wärmeschränke, DSC-Anlagen, Zug- und Druckprüfmaschinen, Infrarotspektroskopie, Feuchtmessgeräte und andere. Die Räume sind auf die Gruppenarbeit ausgelegt, einschließlich der Möglichkeit zur Präsentation von Versuchsergebnissen.

Eine überbetriebliche Ausbildungsstelle entsteht
„Das neue Polymer Training Centre wurde ganz bewusst als überbetriebliche Bildungsstätte (ÜBS) ausgerichtet, um mit diesem Schritt die Auszubildenden des Berufsbildes Verfahrensmechaniker Kunststoff und Kautschuk ganz oder teilweise in die Obhut des Kunststoff-Institutes geben zu können“, erklärte Projektleiter Torsten Urban. Streng nach Ausbildungsrahmenplan werden entweder einzelne Ausbildungsmodule, wie das Einrichten einer Spritzgießmaschine oder die Werkzeugwartung gelehrt, oder der Azubi verbringt eine längere Zeitspanne von etwa einem halben oder ein ganzes Lehrjahr in den neu eingerichteten Schulungs-, Technikums- und Laborräumen. Besonders kleine Firmen, die nicht über die komplette Bandbreite an Maschinentechnik verfügen, oder deren zeitliche Kapazitäten für eine effiziente Ausbildung sehr begrenzt sind, nehmen das Angebot gerne in Anspruch.

„Mit unseren Ausbildungsmodulen können wir zur Zeit 38 Wochen reine Wissensvermittlung abdecken“, erklärt Torsten Urban. „Wenn eine Firma also einen jungen Menschen als Azubi einstellen möchte, diesen aber besonders in der ersten Zeit seiner Lehre nicht intensiv betreuen kann, nehmen wir uns des Azubis gerne an und ‚liefern‘ dem Unternehmen nach etwa einem Jahr einen Azubi im 2. Lehrjahr, der schon beinahe Facharbeiter-Fähigkeiten besitzt.“

Um dem gesamten Vorhaben auch nach außen Ausdruck zu verleihen, wurde die schon seit langem enge Kooperation zwischen Kunststoff-Institut und der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) nun durch ein Fassadenschild besiegelt.

Förderprojekt zur Lehrgangsentwicklung
Als weiterer Baustein wurde Mitte 2018 das Projekt „Fachkräfte NRW“, gefördert vom Land Nordrhein-Westfalen und der EU, gestartet. Dazu wurden neun neue Lehrgänge zur Heranbildung von Fachleuten in den Gebieten 3D-Druck, Werkstoffprüfung, Kunststofflackierung, Werkzeugkonstruktion, Artikelkonstruktion sowie industrieller Digitaldruck konzipiert. Alle Kurse sind kompakt gehalten und ermöglichen es, die Teilnehmer in nur einem halben Jahr auf ein gutes Fachkräfte-Niveau zu heben. Hinzu kommen spezielle Angebote für Azubis, wie den so genannten Werksunterricht, die Teilqualifikation und ein Azubi-Austauschprogramm, welches sich zwischen den Ausbildungsbetrieben abspielt und vom Kunststoff-Institut organisiert wird.

Angesichts der starken europäischen Ausrichtung des PTC sollen zudem weitere Möglichkeiten des Langzeitaufenthalts für ausländische Studenten geschaffen werden. So ist es beispielsweise denkbar, einen Internatsbetrieb ins Leben zu rufen, damit Studierende für den Zeitraum von einem halben oder einem Jahr ihren Lebensmittelpunkt in Lüdenscheid aufschlagen.

Die Akteure sind sich einig, dass mit dieser Einrichtung ein „Leuchtturmprojekt“ geschaffen wurde, welches seine Strahlkraft weit über die Landesgrenzen hinaus wirken lassen wird.

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