Günther Technologietage 2023
Zwei Tage im Zeichen von Energie- und Materialeffizienz
Während der 12. Technologietage bei Günther Heisskanaltechnik in Frankenberg (Eder) informierten sich 200 Gäste über die Möglichkeiten und Potentiale einer Effizienzsteigerung im Spritzgießbereich. Aber auch Networking und der Informationsaustausch untereinander kamen nicht zu kurz.
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Günther Heisskanaltechnik hat weltweit Kunden aus den Bereichen Elektronikindustrie, Verpackungstechnik, Medizintechnik, Konsumgüter und Automobilbau und begeht in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag. Um sich dem stetigen Fortschritt zu stellen, baut Günther gezielt neue Kompetenzen in der Gruppe auf, schafft Synergien und erschließt neue Geschäftsfelder. „So, wie Günther bisher die mechanische Fertigungskompetenz im Unternehmen vergrößert hat, werden wir auch die elektronische und digitale Kompetenz verbreitern und vertiefen,“ so Geschäftsführer Dr. Stefan Sommer. „Die Fülle an Patenten und neuen Entwicklungen belegen unsere Innovativität immer wieder aufs Neue.“
Effizienz entsteht mit Fachwissen
In den Seminarräumen im Verwaltungsgebäude von Günther fanden die 30 Fachvorträge mit externen und internen Referenten statt. Wie ein roter Faden zog sich das Kernthema „Material- und Energieeffizienz“ durch die Ausführungen. Albrecht Weipert, Geschäftsführer von HB Therm, zeigte die „Energie-Einsparungspotentiale bei der Temperierung von Spritzgießwerkzeugen“ in seinem Vortrag auf. Beginnend beim Wärmestrom während des Spritzgießprozesses, erklärte er die offensichtlichen Einflussgrößen auf die Energieeffizienz. So sollte man auf kleine und isolierte Oberflächen achten und Schlauchleitungen bündeln und isolieren. Aber gerade in den weniger offensichtlichen Punkten sieht er mehr Potentiale. Wenn man auf einen geringen Druckverlust im Hydraulikkreis achtet sowie auf effiziente und frequenzgeregelte Pumpen, gewinnt man zusätzliche Leistungen. Genauso wichtig ist es, die Frequenzregelung der Pumpe richtig einzusetzen und den Durchfluss auf das erforderliche Minimum zu reduzieren.
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Dazu passte auch der Vortrag von Christoph Münch, Leiter der Forschung & Entwicklung Regeltechnik & Smart Devices, Günther Heisskanaltechnik, der erläuterte, wie „smarte Regeltechnik Zeit und Geld spart“. Anhand der neuen Temperatur-Regelgeräte der Bluemaster-compact-Reihe und der dazugehörigen App, brachte er ein Beispiel für Einsparpotentiale beim Einrichten, Aufheizen, Regeln und Service. Die App ist für alle gängigen Smartphones oder Tablets kompatibel und ermöglicht eine ortsunabhängige Steuerung der Regelgeräte. Die Kommunikation erfolgt über Bluetooth, sodass auch mehrere Regler bedient werden können. So ist eine permanente Überwachung der Regelung möglich, auch weil eine Vernetzung mit Maschine und Peripheriegeräten erfolgt. Abweichungen in der Regelung werden als Fehler ausgegeben, sodass der Prozess gestoppt wird, was wiederum Schlechtteile vermeidet.
Digitalisierung als Schlüssel zur Effizienz
Mario Studer und Curdin Wick vom IWK der Ostschweizerischen Fachhochschule in Rapperswiel griffen die Datenverfügbarkeit entlang der Wertschöpfungskette auf, um die Digitalisierung der gesamten Prozesskette voranzutreiben. Dafür hat man am Institut einen softwarebasierten Demonstrator entwickelt, mit welchem man die schwierige und langwierige Ursachenfindung bei Fehlern vereinfachen und verkürzen kann. Der Lösungsansatz OPTx soll auch dank KI für die Optimierung der Spritzgießproduktion genutzt werden.
Rudolf Hein vom Konstruktionsbüro Hein sieht in einer nachhaltigen Automatisierung die Chance, um den Herausforderungen der Kunststoffindustrie zu begegnen. Dafür müsste die Vorgehensweise von der Idee bis zur Serie als Kreislauf gedacht und umgesetzt werden. Daneben spricht er sich dafür aus, Wissen zu archivieren und über Wissensdatenbanken für die Mitarbeiter:innen verfügbar zu machen.
Markus Raffelsieper von Kistler ging auf den „Digitalen Zwilling“ ein. Durch den Einsatz eines digitalen Zwillings lässt sich ein digitaler Assistent kreieren, der eine geführte Unterstützung und systematischeres Vorgehen ermöglicht, wodurch selbst Bediener mit wenig Erfahrung professionell unterstützt werden. Auch lassen sich auf Basis des Forminnendruckes in einem Werkzeug arbeitende Assistenzsysteme bereits etablierte Prozesse problemlos von einer Maschine auf eine andere übertragen. Oder der optimale Umschaltpunkt von Spritz- auf Nachdruckphase nutzen, trotz Material- und Maschinenschwankungen. Auch komplexe Geometrien/Qualitätsmerkmale und deren Korrelation zum Forminnendruck lassen sich mit Assistenzsystemen vorhersagen und überwachen.
Prozesssichere Optimierungen in der Fertigung standen im Fokus der Präsentation von Holger Heimerdinger von Partool. Dafür betrachtete er Nullpunkt- und Werkstück-Spanntechnik sowie Handling-Geräte einmal näher. Gerade mit standardisierten Schnittstellen, wie die Nullpunkt-Spannsysteme lassen sich bei der Einzelteil- und Kleinserien-Fertigung die Rüstzeiten drastisch reduzieren und im Gegenzug die effektiven Maschinenlaufzeiten erheblich steigern. Demgemäß ergeben sich bessere und reproduzierbare Fertigungsprozesse, eine gesteigerte Produktivität und letztendlich höhere Erträge. Auch mit flexibler Werkstück-Spanntechnik wird der Zeitdruck vermindert und dadurch der Stress. Und Stress ist oft ein Faktor für Fehler, Störungen und Ausschuss.
Positiver Beitrag zum Klimaschutz
Mit einem Vortrag zur „Verarbeitung von Bio-Polymeren mit Heißkanal-Technik“ leitete Jörg Essinger, Leiter der Anwendungstechnik & Service bei Günther, eine Serie an Referaten rund ums Material ein. Gemeinhin haben nachwachsende Rohstoffe, die für die Herstellung von Bio-Polymeren genutzt werden, viele Vorteile. Sie sind CO2 neutral und leisten einen positiven Beitrag zum Klimaschutz. Zudem schonen sie die petrochemischen Ressourcen und reduzieren neben dem Abfallaufkommen (biologische Abbaubarkeit) auch toxische und allergene Zwischenprodukte. Ferner gibt es eine Kombinationsmöglichkeit von Bio-Polymeren mit Naturfasern. Jörg Essinger beschrieb einige Verarbeitungsversuche mit der Heißkanaltechnik und seine Resultate. So ist bei der Verarbeitung von Bio-Polymeren auf eine gute Materialtrocknung (geringe Restfeuchte) und schonende Plastifizierung zu achten. Ebenso auf moderate Einspritzgeschwindigkeiten und eine gute Entlüftung im Werkzeug. Die Versuche zeigten auch, dass bei einer guten thermischen Trennung zwischen Werkzeug und Heißkanal und einer homogenen Temperaturführung im Heißkanal die Verarbeitung problemlos erfolgen kann. Auch sollte man auf eine kunststoffspezifische Auslegung des Heißkanals (Druckverlust, Verweilzeit, usw.) achten.
Längstes „Heißkanal-Bankett“ Deutschlands
Während der kompletten zwei Tage gab die Fachausstellung verschiedener Unternehmen immer wieder Gelegenheit zum Austausch rund um die Themen Werkzeug- und Heißkanaltechnik sowie den Spritzgussprozess. Als am Abend wegen eines Unwetters Tische und Stühle vom Festzelt in das Fertigungsgebäude gebracht werden mussten, fassten alle Gäste tatkräftig mit an. So entstand das längste „Heißkanal-Bankett“ der Branche und sorgte für steigende Stimmung unter den Gästen.