VCI zur wirtschaftlichen Lage

Marie Saverino,

Stimmung wird heller, die Sorgen bleiben

Die chemisch-pharmazeutische Industrie hat im vierten Quartal 2022 ihre Talfahrt fortgesetzt. Die Produktion brach weiter ein und die Kapazitäten waren nicht ausgelastet, so der VCI. Die sinkende Nachfrage der industriellen Kunden sowie rückläufige Erzeugerpreise führten zu einem Rückgang der Umsätze. Der Blick in die Zukunft hat sich dagegen etwas aufgehellt.

© Pixabay

Die deutlich gesunkenen Energie- und Rohstoffpreise der vergangenen Monate haben die Situation inzwischen stabilisiert. Der Verband der Chemischen Industrie rechnet in seinem vierten Quartalsbericht 2022 aber nicht mit einer kraftvollen Erholung. Im internationalen Vergleich hohe Energiekosten, der Auftragsmangel und Standortprobleme sprechen dagegen. Die Lage am Chemie- und Pharmastandort bleibe damit schwierig.

VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup kommentiert die aktuelle Situation: „Die Energiekrise hat es offenbart: Deutschland hat ein enormes Standortproblem. Ob Energie, Infrastruktur, Fachkräfte, Digitalisierung oder ein effizientes, leistungsfähiges Staatswesen: Wir glauben uns vorne, spielen aber inzwischen gegen den Abstieg. Nur ein industriepolitischer Neustart hält uns im Wettlauf um die Märkte der Zukunft in der ersten Liga. Dabei gilt: Weniger ist mehr. Weniger Regulation für mehr Transformation. Unsere Antwort auf den IRA der USA sollte ein RRA sein – ein Regulation Reduction Act.“

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Die wirtschaftlichen Zahlen im Überblick

Die Produktion ging im Vergleich zum Vorquartal um 5 Prozent zurück. Im Vorjahresvergleich entsprach dies einem Minus von 14 Prozent. Die Kapazitätsauslastung der Branche sank erneut und lag zuletzt bei 76,5 Prozent. Die Erzeugerpreise sanken erstmals seit dem 2. Quartal 2020 wieder: im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent. Damit waren chemische und pharmazeutische Erzeugnisse immer noch fast 18 Prozent teurer als ein Jahr zuvor.

Sinkende Nachfrage, starke Produktionsdrosselungen und rückläufige Erzeugerpreise führten im letzten Quartal des Jahres auch zu einem Rückgang der Umsätze. Der Gesamtumsatz der Chemie- und Pharmaindustrie sank saisonbereinigt um 3,7 Prozent auf insgesamt 59,2 Milliarden Euro.

Die Zahl der Beschäftigten in der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozent gestiegen. Aktuell sind rund 475.560 Menschen in der Branche beschäftigt.

Betrachtet man das Gesamtjahr 2022, ging die Produktion um 6,6 Prozent zurück. Rechnet man das Pharmageschäft heraus, ist das Minus mit 11,9 Prozent sogar zweistellig. Das Umsatzplus in Höhe von 16,6 Prozent ist vor allem auf die Preissteigerungen von knapp 22 Prozent zurückzuführen. Hohe Preise führten wiederum dazu, dass die Verkaufsmengen um mehr als 5 Prozent zurückgegangen sind. Bei gleichzeitig rasant steigenden Energie- und Rohstoffkosten schrumpften letztendlich die Gewinne der Unternehmen.

Die schwierige Lage der Branche sei nicht nur auf massive Preissteigerungen und Versorgungsengpässe bei Strom- und Gas zurückführen. Zum bestehenden Kostenproblem komme ein Nachfragemangel: Vielen Chemieunternehmen fehlen mittlerweile die Aufträge. Denn die Wirtschaft sei inzwischen weltweit im Abschwung. Das belaste nicht nur die Exporte, auch im Inlandsgeschäft bekommen die Unternehmen die wirtschaftliche Schwäche zunehmend zu spüren. Dabei seien die Rückschläge nicht allein auf die energieintensiven Industrien beschränkt. Zunehmend kämpfen auch andere Branchen mit den Folgen der Inflation und steigenden Zinsen.

2023 bleibt schwierig

Die deutlich gesunkenen Energie- und Rohstoffpreise der vergangenen Monate dürften die Situation im ersten Quartal 2023 stabilisieren. Das spiegelt sich auch in einem zuversichtlicher werdenden Geschäftsklima wider. Doch Große Entrup warnt: „Auch wenn sich die Stimmung aufhellt, die Sorgen bleiben und anders als in der Pandemie oder der Weltwirtschaftskrise wird es diesmal keine kraftvolle Erholung geben.“

Denn die Inflation wird über mehrere Jahre erhalten bleiben. Außerdem setzen sich die Schwächen der Weltwirtschaft fort und die Energiekriese in Deutschland und Europa ist noch nicht gelöst.  

Eine genaue Prognose ist angesichts volatiler Rahmenbedingungen weiterhin schwierig. Der VCI rechnet für das Gesamtjahr 2023 mit einem Produktionsrückgang von rund 5 Prozent. Rechnet man das Pharmageschäft heraus, dürfte die Produktion in diesem Jahr 8 Prozent niedriger liegen als 2022. Bei rückläufigen Preisen wird der Branchenumsatz in diesem Jahr voraussichtlich um gut 7 Prozent sinken.

Neuordnung im Chemiegeschäft

Welche Auswirkungen die aktuellen Entwicklungen auf die Unternehmensstrategien haben, zeigt eine Mitgliederbefragung des VCI. Viele Unternehmen planen, die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen, unter anderem durch Investitionen in die Eigenerzeugung  und energieeffiziente Produktionsverfahre. Knapp 70 Prozent der Unternehmen gaben an, ihre Abhängigkeit von Vorprodukten aus Ländern mit hohem Risikopotenzial reduzieren zu wollen und ihre Lieferketten global zu diversifizieren. Zwar stellt fast jedes zweite Unternehmen seine Globalisierungsstrategie auf den Prüfstand, doch unterm Strich bleibt es dabei, dass die Unternehmen vom globalen Wachstum sowohl durch Exporte als auch durch Produktion vor Ort profitieren möchten.

Für die deutsche Chemieindustrie wird entscheidend sein, wie sich Kostenstrukturen und Energiepreise mittelfristig einpendeln. Erst dann wird man sehen, welche Anlagen hierzulande noch rentabel betrieben werden können.

Industriepolitische Weichen für die Zukunft stellen

„Unsere Branche kann einen Strukturwandel meistern, Wertschöpfung in Deutschland erhalten und die Versorgung der Industrie mit innovativen und nachhaltigen Materialien sicherstellen“, erklärt Wolfgang Große Entrup. Dazu braucht es jetzt ein industriepolitisches Sofortprogramm.

Deshalb setzt sich der VCI dafür ein, alle wettbewerbsfähige Stromversorgung weiterhin ans Netz zu lassen. Gleichzeitig muss der Ausbau erneuerbarer Energien sowie der Netzinfrastruktur und Speichersysteme massiv vorangetrieben werden. Außerdem fordert der VCI einen industriepolitischen Neustart. Statt mit Verboten, Grenzwertverschärfungen und Regulierung für Planungs-, Rechts- und Investitionsunsicherheiten zu sorgen, braucht es bessere Governance und Priorisierung. Der Fokus muss auf nachhaltiges Wachstum gelegt werden. Wünschenswert wäre ein Einsatz für Freihandel statt Protektionismus. Viele Regulierungen könnten Handelspartner vor den Kopf stoßen.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) vertritt die Interessen von rund 1.900 Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie und chemienaher Wirtschaftszweige gegenüber Politik, Behörden, anderen Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Medien.

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