Spritzgießen und Formenbau
„…das was andere nicht können.“
Während viele Spritzgießer mit ihrer Abhängigkeit von der Automobilindustrie und deren „Aufs“ und „Abs“ hadern, gibt es an anderer Stelle offenbar Konzepte, sich eine kommode Position zu erarbeiten. Das jedenfalls ist der Eindruck bei Besuch der Müller-Technik GmbH im oldenburgischen Steinfeld. „Heute arbeiten wir fast ausschließlich für die Automobilindustrie, trotzdem sind wir auch im Krisenjahr 2009 gewachsen, und in 2010 haben wir rund 45 Prozent beim Umsatz zugelegt“, bestätigt der Vertriebsleiter Carsten Höhle den Eindruck – und verweist auf die enormen Bau- und Erweiterungstätigkeiten am Stammsitz.
Spezialisierung auf die Entwicklung und Produktion innovativer Teile und Baugruppen unter Einsatz moderner Fertigungstechniken mit hohem Automatisierungsgrad sollen das Unternehmen unabhängiger von den Zyklen der Autobranche machen. „Erfolgreich sind wir unter anderem deshalb, weil wir neue technische Möglichkeiten frühzeitig prüfen und in Produkte umsetzen. 2- und 3-Komponententeile, teils weiterverarbeitet in automatischen Montageanlagen, sind heute Standard. Das Gasinnendruck-Verfahren wird auch in komplexen Geometrien eingesetzt, anspruchsvolle Oberflächen sind in vielen Varianten möglich“, erklärt der Entwicklungsleiter Andre Osterhues. Dazu werden in Steinfeld etwa 70 Spritzgießmaschinen, davon etwa 50 von Battenfeld bzw. Wittmann Battenfeld, mit Schließkräften zwischen 150 und 5000 kN betrieben, wobei nach Werkserweiterung 2013 bis zu 10.000 kN Schließkräfte möglich sind. Weitere 35 Maschinen arbeiten am polnischen Standort Koszalin mit Schwerpunkt Insertteile und 25 beim tschechischen Tochterunternehmen. Für Aufgaben, die mehr als 5000 kN Schließkraft verlangen, arbeitet Müller-Technik mit regionalen Dienstleistern zusammen.
Aufgeblasene Lösungen
In den letzten Jahren hat sich die Gasinnendruck-Technik (GID) als Problemlöser in diversen Anwendungen bewährt. Dazu muss allerdings der gesamte Prozess beherrscht werden: Von der Einschätzung, ob ein Teil grundsätzlich für dieses Verfahren geeignet ist über fertigungstechnische Optimierungen dieses Teils und den Formenbau bis zur Fertigung und evt. Montage und Oberflächentechnik.
Das erste von Müller-Technik mit der Gasinnendruck-Technik produzierte Teil war der innen liegende Bediengriff einer Autotür, in der Ursprungskonstruktion als massives Bauteil vorgesehen. Aufgrund der großen Wanddickenunterschiede und der komplexen Geometrie gelang es nicht, die engen Toleranzen und die gewünschte Oberflächenqualität prozesssicher zu erreichen. Gemeinsam mit Battenfeld wurden ein GID-Werkzeug entwickelt, die notwenige Technik Airmould installiert und die Prozessparameter definiert. „Auf Anhieb“, so Helmut Kohake, „haben Konstruktion und Prozess funktioniert. Verzug und Einfallstellen traten nicht mehr auf, der Kunde war zufrieden.“ Das war bereits 1993, seitdem ist die GID sukzessive in eine Reihe weiterer Produktbereiche eingezogen. Türgriffe werden übrigens immer noch mit GID produziert, nach Unternehmensangaben rund 2,4 Millionen Stück jährlich. Aufgrund der hohen Oberflächenqualität lassen sie sich auch problemlos verchromen.
Auch eines der wenigen nicht automobilen Teile, ein leichter Kopfhörer für Sennheiser, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen wird ausnahmsweise ein Produkt für die Unterhaltungselektronik nicht aus Asien importiert, sondern aus Deutschland dorthin geliefert. Zum anderen ersetzt das in einem Stück gefertigte GID-Bauteil die bisherige Konstruktion aus Spritzgießteil und eingeklebtem, extrudierten Röhrchen. Auch in diesem Fall wurde im Vorfeld mit Hilfe des Technikums von Wittmann Battenfeld die Machbarkeit geklärt und die Konstruktion optimiert.
Solche Lösungen sind immer dann möglich, wenn Ideen mit einem leistungsfähigem Formenbau und moderner Maschinentechnik Hand in Hand gehen. „Da Ideen allein wenig nutzen, greifen wir immer wieder auf Know-how von Wittmann Battenfeld direkt zu, nicht nur bei Einführung der Gasinnendruck-Technologie Airmould. Deshalb haben wir auch in der Krise von Battenfeld in deren Maschinen investiert“, erklärt Helmut Kohake. „Und das ist bis heute so, allein in 2011 (Stand August) wurden bereits 11 neue Spritzgießmaschinen, davon acht von Battenfeld, samt teilweise aufwendiger Peripherie in Betrieb genommen.
Automatik-Bedienung automatisch montiert
Eine der wichtigsten Produktgruppen aus Steinfeld ist die von Müller-Technik weitgehend entwickelte Bedienbox samt Schaltknauf für ein Automatikgetriebe. In diversen Varianten enthält eine stark verrippte, kastenartigen Konstruktion ein komplexes mechanisches Innenleben, dessen Komponenten komplett im Unternehmen gefertigt und montiert werden. Dazu wurde die gesamte Prozesstechnik bis zur Serienreife entwickelt. Hier findet sich nahezu die gesamte Bandbreite des Leistungsspektrums: Baugruppendesign und -konstruktion, Produktion technischer Teile und Interieurartikel in optimierten Werkzeugenkomplexe, automatisierte mechanische Montagen auf hohem Qualitätslevel. Themen wie die oberflächennahe Werkzeugtemperierung mit dem Contura-System werden genutzt, um die Leistungsfähigkeit der Werkzeuge und die Qualität der Spritzteile zu erhöhen.
Mit solchen Produkten und der Fähigkeit zur ständigen Innovation können Zulieferer auf Augenhöhe mit Kunden der Automobilindustrie agieren. Aus eigenem Antrieb werden bisher aus Stahl gefertigte Bauteile untersucht, um bessere Lösungen aus Kunststoffen bieten zu können. Aktuell bereiten wir mit ersten Produkten die Nutzung des von Wittmann Battenfeld entwickelten Cellmould-Verfahrens vor, das bei nur geringfügig verschlechterten mechanischen Werten Gewichtseinsparungen von 5 bis 10 Prozent bringen kann. Außerdem sind nahezu alle Maschinen mit Handlingeinheiten von Wittmann Battenfeld ausgerüstet, um schnelle Automatisierungslösungen bei vergleichsweise einfachem Einrichten realisieren zu können.“
Fakuma, Halle B1, Stand 1204 – Wittmann Battenfeld
Fakuma, Halle A6, Stand 6511 – Müller-Technik